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Wohngebäudeversicherung – Anfechtung wegen arglistiger Täuschung über eine Vorversicherung

LG Paderborn – Az.: 3 O 141/11 – Urteil vom 31.05.2012

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Klägerin macht Ansprüche aus einer bei der Beklagten bestehenden Wohngebäudeversicherung geltend.

Die Klägerin erwarb im Jahr 2006 das mit einem Wohngebäude bebaute Grundstück …. Vom 10.04.2007 bis zum 20.02.2008 hatte die Klägerin das Wohngebäude bei der Westfälischen Provinzial versichert. Anlässlich eines von der Klägerin angezeigten Sturmschadens kündigte die Westfälische Provinzial die Gebäudeversicherung wegen des schlechten Erhaltungszustandes und der dadurch erhöhten Gefahren am 20.02.2008, ohne den Sturmschaden anzuerkennen.

Im April 2008 nahm der Ehemann der Klägerin, der Zeuge …., mit einer Agentur der Beklagten in …. Kontakt auf, um das Gebäude über die Beklagte versichern zu lassen. Am 05.04.2008 wurde der Versicherungsantrag ausgefüllt. Dabei wurde durch Unterschrift die Kenntnisnahme der unter Ziffer B. enthaltenen Hinweise bestätigt. Ziffer B. enthielt insbesondere den folgenden Hinweis: „Sie sind verpflichtet, Ihnen übermittelte „Fragen zu gefahrerheblichen Umständen“ nach bestem Wissen vollständig und wahrheitsgemäß zu beantworten.“ Bei der Beklagten wurde ein Formular erstellt (Anlage AG 4 im roten Hefter) in dem unter anderem Angaben zum Gebäudezustand gemacht und bei Fragen zu Vorversicherungen und Vorschäden „nein“ bzw. „keine“ eingetragen wurde. Am 14.04.2008 stellte die Beklagte den Versicherungsschein gem. Antrag vom 05.04.2008 aus.

Am 01.01.2010 kam es zu einem ersten Brand des Gebäudes. Als Brandursache wurde ein nicht ordnungsgemäßer Feuerschutz im Schornstein vermutet, eine Brandstiftung wurde ausgeschlossen. Am 08.01.2010 fand ein Termin zur Besichtigung des Schadens statt, an dem Vertreter der Klägerin, ein Gebäudesachverständiger, Dachdecker und ein Vertreter der Beklagten teilnahmen. Seit dem ersten Brand stand das Gebäude leer. Am 17.08.2010 gab es einen weiteren Brand. Die Klägerin meldete den Brandschaden gegenüber der Beklagten. Die Schadenswerte wurden aufgrund eines von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachtens mit einem Gesamtschaden auf Basis des Nettoneuwerts von 410.400,00 € und auf Basis des Nettozeitwerts von 136.120,00 € angegeben. Die Klägerin entschied sich dazu, das Gebäude nicht wieder aufzubauen, sondern die Entschädigung als Versicherungsleistung zu beanspruchen und teilte dies der Beklagten mit.

Die Beklagte erklärte am 18.02.2011 die Anfechtung des Versicherungsvertrags wegen Arglist.

Die Klägerin behauptet, dem Zeugen … seien bei dem von ihm geführten Vertragsanbahnungsgespräch keine Fragen zu gefahrerheblichen Umständen oder Vorversicherungen gestellt worden. Das Schreiben vom 11.04.2008 (Anlage AG 3 im roten Hefter) und das Schreiben (Anlage AG 4 im roten Hefter), das u.a. Angaben zur Gebäudebeschreibung, zu Vorversicherungen und Vorschäden enthält, habe sie nicht erhalten. Hätte die Klägerin das von der Beklagten als Anlage AG 4 bezeichnete Dokument erhalten, so hätte sie entsprechende Korrekturen vorgenommen. Insbesondere hätte sie die Angabe zur Staatsangehörigkeit korrigiert, angegeben, dass eine Wohngebäudeversicherung bei der … bestanden hat und hätte zudem nachgefragt, ob ein von dem Vorversicherer nicht anerkannter Schaden in diesem Zuge als Vorschaden anzugeben sei.

Die Klägerin behauptet, das Gebäude habe sich zu keiner Zeit in einem schlechten Zustand, sondern in einem die durchgeführten Umbauten und Renovierungsarbeiten berücksichtigenden altersgemäß guten Zustand befunden. Zudem hätten sie und ihr Ehemann regelmäßig Renovierungsarbeiten vorgenommen.

Die Klägerin behauptet, sie habe hinsichtlich des Termins am 08.01.2010 sämtliche Versicherungsunterlagen dabei gehabt. Sie habe der Beklagten die Versicherungspolice der … und das Kündigungsschreiben vorgelegt. Die Beklagte habe spätestens seit diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Kündigung durch die Provinzial und dem Kündigungsgrund gehabt.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 136.120,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet unter anderem, im Zuge des Vertragsanbahnungsgesprächs sei eine Belehrung über die Anzeige- und Hinweispflichten des Versicherungsnehmers und eine Befragung zu Vorschäden und Vorversicherungen erfolgt. Trotz ausdrücklicher Fragen sei wahrheitswidrig verschwiegen worden, dass bzgl. des Grundstücks eine Vorversicherung bestanden habe und es einen Vorschaden gab. Die Agentur … habe der Klägerin mit Schreiben vom 11.04.2010 die maßgeblichen Versicherungsunterlagen zugesandt. In dem Schreiben habe man die Klägerin aufgefordert, die Unterlagen sorgfältig auf ihre Vollständigkeit und Richtigkeit hin zu überprüfen. Teil der Versicherungsunterlagen sei eine „Gebäudebeschreibung des Wohngebäudes“, in dem zur Vorversicherung und Vorschäden in Fettdruck „nein“ bzw. „keine“ eingetragen war. Informationen zu Vorschäden und Vorversicherungen würden dem Versicherer Anlass geben, in eine nähere Risikoprüfung zu treten und ggf. beim Vorversicherer nachzufragen. Im vorliegenden Fall hätte die Beklagte bei Kenntnis des Kündigungsgrunds der Vorversicherung auf einer Objektbesichtigung bestanden und vor dem Hintergrund des schlechten Erhaltungszustands den Abschluss eines Versicherungsvertrags abgelehnt.

Die Beklagte behauptet, sie habe erst im Zuge der Ermittlungen zum Brandereignis vom 17.08.2010 Kenntnis von der Kündigung und des Kündigungsgrundes seitens der …. Versicherung erhalten. Anlässlich des ersten Brands am 01.01.2010 habe sie keine Kenntnis darüber erlangt, dass der Vorversicherungsvertrag durch die Provinzial Versicherung aufgrund des schlechten Zustands des Objekts gekündigt worden war. Auch dass ein vermeintlicher Sturmschaden angezeigt worden war, habe die Beklagte erstmals nach dem 17.08.2010 erfahren.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Parteien samt Anlagen und auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 08.03.2012 (Bl. 121-132) und vom 10.05.2012 (Bl. 187-196 d. A.) Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen …,, …, …, .., …, …, …, …, … und …. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 08.03.2012 (Bl. 121-132) und vom 10.05.2012 (Bl. 187-196 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist in der Sache nicht begründet.

Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 136.120,00 Euro aus dem bei der Beklagten abgeschlossenen Wohngebäudeversicherungsvertrag besteht nicht.

Zwischen der Klägerin und der Beklagen besteht kein wirksamer Versicherungsvertrag, da der Versicherungsvertrag wegen der durch die Beklagte fristgerecht erklärten Anfechtung gem. §§ 123, 142 Abs. 1 BGB, 22 VVG als von Anfang an nichtig anzusehen ist.

1. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 18.02.2011 die Anfechtung des Versicherungsvertrags mit der Klägerin wegen arglistiger Täuschung erklärt (§§ 123 BGB, 22 VVG).

2. Die Beklagte ist durch den Zeugen … bei Vertragsschluss arglistig getäuscht worden, indem dieser trotz ausdrücklicher Fragen verschwiegen hat, dass eine Vorversicherung bestand, das die Klägerin einen Schadenfall angezeigt hat und dass der Vorversicherer aufgrund des schlechten Bauzustandes des versicherten Gebäudes den Vorversicherungsvertrag kündigte.

a) Eine arglistige Täuschung bei Vertragsschluss liegt dann vor, wenn der Versicherungsnehmer wissentlich unrichtige Angaben macht oder Tatsachen verschweigt in der zumindest billigenden Erkenntnis, der Versicherer könne durch das Vorgehen getäuscht und in seiner Entscheidung beeinflusst werden (vgl. z.B. OLG Frankfurt, Urteil v. 10.06.1992, 19 U 168/91, zitiert nach juris). Das Verschweigen eines Umstands steht dem Hervorrufen eines Irrtums gleich, wenn eine Offenbarungspflicht besteht (vgl. Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht, 2008, § 22 VVG, Rdn. 8). Fragen müssen dabei grds. vollständig und richtig beantwortet werden (vgl. Palandt-Ellenberger, 71. Aufl. 2012, § 123 BGB, Rdn. 5a). In Fällen, in denen auf Nachfrage bewusst Vorversicherungen oder frühere Schäden oder Unfälle nicht angezeigt wurden, hat die Rechtsprechung Arglist angenommen (vgl. z.B. KG Berlin, Urteil v. 01.12.1981, 6 U 1906/81, zitiert nach juris; OLG Düsseldorf, Urteil v. 03.12.1974, 4 U 213/73, zitiert nach juris; OLG Frankfurt, Urteil v. 10.06.2005, 25 U 115/04, zitiert nach juris; OLG Hamm, Urteil v. 06.12.1989, 20 U 142/89, zitiert nach juris sowie Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl. 2010, § 22 VVG, Rdn. 11 mit zahlreichend weiteren Nachweisen zur Rspr.). Die volle Beweislast für alle Voraussetzungen des § 123 BGB trifft die Beklagte als Anfechtende (vgl. z.B. OLG Hamm, Urteil v. 06.12.1989, 20 U 142/89, zitiert nach juris).

b) Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Zeuge …. im Vertragsanbahnungsgeschäft im …. Büro der Beklagten am 04.04.2008 trotz ausdrücklicher Fragen verschwiegen hat, dass eine Vorversicherung bestand, dass die Klägerin einen Schadenfall angezeigt hat und dass der Vorversicherer aufgrund des schlechten Bauzustandes des versicherten Gebäudes den Vorversicherungsvertrag kündigte.

Der Zeuge …. hat zwar ausgesagt, er habe dem Mitarbeiter der Beklagten die Papiere der …. einschließlich des Kündigungsschreibens von sich aus vorgelegt, ohne danach gefragt worden zu sein und der Mitarbeiter habe die Unterlagen kopiert. Auch hat er bekundet, er habe erklärt, dass die Versicherung durch die …. gekündigt worden sei und dass ein Sturmschaden vorgelegen habe, doch habe der Mitarbeiter der Beklagten nicht weiter nach den Vorschäden oder der Vorversicherung gefragt.

Die Kammer hält die Aussage des Zeugen … jedoch nicht für glaubhaft. Das bei der Beklagten erstellte Formular Anlage AG 4 enthält zu den Fragen Vorversicherung und Vorschäden die Angaben „nein“ und „keine“. Der Zeuge ….konnte sich zwar weder an den konkreten Fall noch an das Vertragsanbahnungsgespräch erinnern, er hat aber Aussagen dazu gemacht, wie das Formular Anlage AG 4 allgemein ausgefüllt wird. Hierzu hat er bekundet, dass er die Angaben, die im Formular AG 4 eingetragen werden von dem Kunden bekomme. Er gehe das Formular Anlage AG 4 eingehend, Punkt für Punkt, mit den Kunden durch und fülle es aufgrund der Angaben des Kunden am Computer aus. Der Zeuge … hat in Übereinstimmung mit der Zeugin .. dargestellt, dass die Punkte Vorschäden und Vorversicherungen Pflichtangaben sind, zu denen Angaben gemacht werden müssen. Sofern man eine Frage offen lassen würde, bleibe dieser Punkt nach der Angabe des Zeugen … „rot“ und man könne den Antrag nicht ausdrucken. Bejahe man die Frage zu Vorschäden oder Vorversicherungen gehe eine weitere Maske auf, in der Zusatzfragen gestellt würden (z.B. um welche Vorversicherung bzw. um was für einen Vorschaden es sich gehandelt hat). Die Zeugin …. hat diese Funktionsweise bestätigt und hat hierzu weiter bekundet, dass es bei den Feldern keinerlei Voreinstellungen gebe.

Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Angaben in der Anlage AG 4 vom Zeugen … stammen. Dafür spricht insbesondere, dass das Formular AG 4 dezidierte Angaben die Gebäudebeschreibung betreffend enthält (z.B. zu Baujahr, Wohnfläche und Dachform). Diese Angaben müssen, da sie dem Zeugen … unbekannt waren, auf Informationen des Zeugen … beruhen. Hiermit deckt sich auch, dass der Zeuge … und der Zeuge … jeweils ausgesagt haben, dass der Zeuge … Pläne von dem zu versichernden Gebäude dabei hatte, die – nach Angaben des Zeugen … – dem Versicherungsmitarbeiter gezeigt wurden. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Angaben zu Vorschäden und Vorversicherungen gleichermaßen vom Zeugen … stammen und zwar auf ausdrückliche Fragen des Zeugen … Der Zeuge … musste schon angesichts der technischen Vorgaben des Computersystems entsprechende Eintragungen machen. Gründe, wieso er hier von sich aus Falschangaben hätte machen sollen, bzw. sich Angaben hätte ausdenken sollen, sind für die Kammer nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere, da gerade die Informationen zu Vorschäden und Vorversicherungen für die Risikoabwägung des Versicherers und für dessen Entscheidung einen Vertrag abzuschließen von zentraler Bedeutung sind. Dagegen hat der Zeuge … ein starkes Motiv im vorliegenden Prozess Falschangaben zu machen, da er als Ehemann der Klägerin ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse am Ausgang des Rechtsstreits hat. Der Versicherungsschaden war für die Klägerin und ihren Ehemann sehr lukrativ. Die Klägerin hat das Hausgrundstück zu einem Kaufpreis von nur 20.000 Euro erworben. Die Versicherungssumme in Höhe von 136.120,00 Euro entspricht dem 6,8-fachen des Kaufpreises. Darüber hinaus spricht das Aussageverhalten des Zeugen … aus Sicht der Kammer dafür, dass die Aussage mit seiner Ehefrau abgesprochen war. Der Zeuge hatte nach eigenen Angaben nur wenig Erfahrung im Umgang mit deutschen Versicherungen. So hat er im Zuge des Vertragsabschlusses Hilfe bei seinem Bruder und bei dem Zeugen … gesucht. Auch beim Abschluss der Vorversicherung bei der … war er nicht involviert. Angesichts dieser Unerfahrenheit ist es aus Sicht der Kammer wenig glaubhaft, dass der Zeuge bei dem Vertragsanbahnungsgeschäft von sich aus auf Themen wie die Vorversicherung, deren Kündigung und Vorschäden zu sprechen gekommen sein soll. Aber selbst wenn man annimmt, dass dies so war, ist es aus Sicht der Kammer nicht glaubhaft, dass der das Vertragsanbahnungsgespräch führende Zeuge … angesichts dieser Angaben keine weiteren Fragen zu den Punkten Vorversicherung und Vorschäden gestellt hat. Denn diese Informationen sind nach übereinstimmender Bekundung der Zeugen … und …, die sich mit der Kenntnis der Kammer deckt, für die Risikoabwägung des Versicherers und für dessen Entscheidung einen Vertrag abzuschließen von zentraler Bedeutung.

 

Dagegen, dass die Angaben vom Zeugen … stammen, spricht nicht etwa, dass auf S. 12 des Dokuments als Unterschriftsdatum der 05.04.2008 vermerkt ist. Hier wie auch auf dem Antragsformular selbst (Anlage AG 2 roter Hefter) wurde offenbar das für die Unterzeichnung durch die Klägerin vorgesehene Datum eingetragen. Denn der 05.04.2008 war ein Samstag, das Vertragsanbahnungsgespräch fand aber an einem Freitag statt. Auch, dass in der Fußzeile des Dokuments das Datum 11.04.2008 eingetragen ist, spricht nicht gegen Angaben des Zeugen …. Bei diesem Datum handelt es sich nach der Aussage der Zeugin … nicht um das Erstellungsdatum, sondern um das Datum, wo die verschiedenen Unterlagen (hier unterschriebener Antrag (AG 2) und AG 4 im Büro der Beklagten gemeinsam elektronisch eingesteuert wurden.

Die Aussagen der Zeugen … und … sind glaubhaft. Die Zeugen haben detailliert von ihren Kenntnissen berichtet und Erinnerungslücken unumwunden eingeräumt. Die Zeugin … ist zwar eine Mitarbeiterin der Beklagten, sie ist aber nur zu allgemeinen Vorgängen bei der Beklagten befragt worden. Ein Motiv wieso sie insoweit fehlerhafte Angaben machen sollte, ist nicht ersichtlich. Der Zeuge … ist als neutraler Zeuge zu werten. Er ist mittlerweile nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt und steht daher nicht mehr in deren Lager. Die Aussage des Zeugen … steht den Feststellungen der Kammer nicht entgegen. Denn der Zeuge … konnte sich nicht mehr erinnern, ob bei dem Vertragsanbahnungsgespräch über den Vorversicherungsvertrag, dessen Kündigung oder Vorschäden gesprochen wurde.

3. Der Zeuge … handelte vorsätzlich. Für das Verschweigen der Vorversicherung und der Vorschäden ist ein anderes Motiv als das auf die Entschließung des Versicherers über die Annahme des Antrages Einfluss zu nehmen, d.h. die Ablehnung des Antrags zu vermeiden, nicht zu erkennen. Für ein arglistiges Verhalten sprechen indiziell gerade auch die Umstände des Vertragsabschlusses, nämlich die Kündigung der Vorversicherung wegen des schlechten Gebäudezustandes und der Abschluss des Vertrags in einer weit von dem Grundstück entfernten Agentur. Andere in ihrer Sphäre liegende Gründe für eine Falschangabe des Zeugen … hat auch die Klägerin nicht dargetan. Die Klägerin muss sich die arglistigen Falschangaben ihres Ehemanns unter dem Aspekt eines Wissensvertreters als eigene zurechnen lassen (dazu Prölss/Martin, 28. Aufl. 2010, § 19 VVG, Rdn. 32 m.w.N.). Ob die Klägerin selbst die Anlagen AG 3 und AG 4 erhalten hat und ihr aufgrund des Unterlassens der Korrektur ein eigener Arglistvorwurf zu machen ist, kann daneben dahin gestellt bleiben.

4. Die arglistige Täuschung ist ursächlich für den Vertragsabschluss geworden. Die Kammer ist davon überzeugt, dass, wenn im Vertragsanbahnungsgespräch Hinweise zu Vorschäden oder Vorversicherungen erfolgt wären, dies der Beklagten Anlass gegeben hätte, in eine nähere Risikoprüfung einzutreten und beim Vorversicherer nachzufragen. Die Kammer ist weiterhin davon überzeugt, dass die Beklagte bei Kenntnis des Kündigungsgrundes der Vorversicherung auf einer Objektbesichtigung bestanden und vor dem Hintergrund des Erhaltungszustands den Abschluss eines Versicherungsvertrages abgelehnt hätte. Die Zeugin …. hat in diesem Zusammenhang ausgesagt, dass es bei der Angabe des Vorhandenseins einer Vorversicherung oder eines Vorschadens zu einer Aussteuerung des Verfahrens gekommen wäre, d.h., dass noch Plausibilitätsprüfungen vorgenommen worden wären, und dass in diesem Fall durch den Sachbearbeiter der Fachabteilung mit der Vorversicherung Rücksprache gehalten worden wäre. Sie hat weiter ausgesagt, dass wenn im Vorfeld bekannt gewesen wäre, dass eine Vorversicherung bestand, diese durch den Versicherer gekündigt worden ist und auch ein Vorschaden da war und man dann von der Versicherung auch noch erfahren hätte, dass das Gebäude in einem schlechten Zustand ist, die Versicherung seitens der Beklagten nicht abgeschlossen worden wäre.

Davon, dass das Gebäude schon vor den Bränden einen äußerst schlechten Erhaltungszustand hatte, ist die Kammer auf Grundlage der Aussagen der Zeugen … und …überzeugt. Herr … hat insoweit ausgesagt, das Haus habe auf ihn einen stark renovierungsbedürftigen Eindruck gemacht, er sprach von einer „Rumpelkammer“ bzw. einer „Ruine“. Dieser Eindruck habe auch unabhängig von dem Brandschaden bestanden. Herr … bekundete, er würde das Haus als „Bruchbude“ bezeichnen. Die Aussagen der Zeugen … und … sind glaubhaft. Diese waren jeweils in ihrer Funktion als Polizeibeamte mit der Ermittlung der Brandursache betraut. Sie sind neutrale Zeugen, die nicht im Lager einer der Parteien stehen. Zudem haben die Zeugen den Zustand des Gebäudes besonders bildhaft und plastisch geschildert.

5. Die Anfechtung ist auch fristgerecht erklärt worden. Die Anfechtung einer nach § 123 BGB anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfirst erfolgen. Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte vom Irrtum und vom arglistigen Verhalten des anderen Teils Kenntnis erlangt.

Die Kammer geht davon aus, dass die Beklagte Kenntnis von den eine arglistige Täuschung begründenden Umständen – insbesondere dem bewussten Verschweigen der Kündigung und des Kündigungsgrundes seitens der Vorversicherung – erst im Zuge der Ermittlung zum zweiten Brandereignis vom 17.08.2010 erhalten hat. Sie hat daraufhin innerhalb der Jahresfrist am 18.02.2011 den Vertrag angefochten.

Demgegenüber hat die Klägerin den ihr obliegenden Beweis nicht erbracht, dass die Beklagte bereits am 08.01.2010 bzw. jedenfalls noch vor dem 2. Brandereignis Kenntnis von ihrem Irrtum und vom arglistigen Verhalten des anderen Teils erlangt hat (zur Beweislast vgl. Palandt-Ellenberger, 71. Aufl. 2012, § 124 BGB, Rdn. 5 m.w.N.). Zwar ist davon auszugehen, dass die Klägerin in diesem Gespräch Kenntnis von der Vorversicherung erlangt hat. Dies ergibt sich schon aus dem Bericht des Zeugen … (dem zuständigen Schadensermittler der Beklagten) an den Schadeninnendienst der Beklagten vom 12.07.2010 und wird durch die Zeugin … bestätigt. Dies allein führte jedoch noch nicht zur Kenntnis der Umstände der arglistigen Täuschung. Insbesondere reicht insoweit weder ein bloßer Verdacht noch ein Kennenmüssen aus (vgl. Palandt-Ellenberger, 71. Aufl. 2012, § 124 BGB, Rdn. 2). Denn die Klägerin hat insbesondere nicht bewiesen, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt bereits Kenntnis von der Kündigung und dem Kündigungsgrund hatte. Daran, ob die Klägerin dem Zeugen … das Kündigungsschreiben übergeben hat, konnten sich weder die von der Klägerin benannten Zeugen …. noch der von der Beklagten benannte Zeuge … erinnern.

6. Angesichts der fristgerechten Anfechtung des Versicherungsvertrags können die weiteren zwischen den Parteien streitigen Fragen dahingestellt bleiben.

Der Zeuge …. musste ebenfalls nicht mehr gehört werden, da es auf seine Aussage angesichts des für die Kammer feststehenden Beweisergebnisses nicht mehr ankommt.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.

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