LG Hamburg – Az.: 418 O 127/11 – Urteil vom 09.03.2012
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 100% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem Warenkreditversicherungsvertrag in An-spruch. Für den Vertrag gelten die Bedingungen für die „Warenkreditversicherung-M“ (Anl. K 1).
Die Beklagte gewährte der Klägerin auch Versicherungsschutz für Forderungen gegen die Firma N… Speditionsgesellschaft mbH in H (im Folgenden: N… ).
Mit Schreiben vom 23.8.2010 (Anlage K 2) teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass „die Versicherungssumme“ für N… „aufgehoben“ sei. Die Beklagte wies darauf hin, dass jede vor Eintritt des Versicherungsfalles erhaltende Zahlung auf die jeweils älteste Forderung angerechnet wird und dass diese Regelung auch für Zahlungen für solche Lieferungen gilt, die die Klägerin gegebenenfalls nach Aufhebung der Versicherungssumme ausführt.
Die N… forderte die Klägerin danach auf, bereits vereinbarte Leistungen zu erbringen. Zugleich sagte die N… der Klägerin einen umgehenden Ausgleich der daraus resultierenden Forderungen zu. Daraufhin kam die Klägerin ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der N… nach und berechnete die ordnungsgemäß erbrachten Leistungen mit folgenden Rechnungen:
Rechnungsnummer 4… 0 vom 1.9.2010 über 3075,26 €
Rechnungsnummer 4… 6 vom 10.9.2010 über 1367,01 €
Rechnungsnummer 4… 8 vom 10.9.2010 über 3972,52 €
Rechnungsnummer 4… 4 vom 20.9.2010 über 3264,17 €.
Die Summe der Forderungen aus diesen Rechnungen in Höhe von insgesamt Euro 11.678,96 beglich die N… mit ausdrücklicher Zahlungsbestimmung durch Scheckzahlungen vom 7. und 12. Oktober 2010.
Mit Schreiben vom 10.2.2011 (Anlage K 3) verrechnete die Beklagte diese Zahlungen mit Versicherungsleistungen wegen Forderungen der Klägerin gegen N , die bis zum 23. August 2010 entstanden und nicht beglichen worden waren.
In den Versicherungsbedingungen heißt es:
„§ 5 Ziffer 2.1
Beträge, die nach Beendigung des Versicherungsschutzes gemäß § 2 Nummer 4 AVB ein- gehen, werden, unabhängig von abweichenden Tilgungsbestimmungen, grundsätzlich auf die jeweils älteste offene Forderung angerechnet.“
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Verrechnung zu Unrecht erfolgt ist.
Aus § 2 Nummer 4 AVB ergebe sich – jedenfalls nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers – nicht, dass der Versicherungsschutz mit der Aufhebung der Versicherungssumme ende. Überdies sei die Beklagte gemäß § 6 Abs. 4 VVG nF verpflichtet gewesen, die Klägerin auf die Verrechnung hinzuweisen, daher stehe der Klägerin an Schadensersatz auch in entsprechender Höhe zu.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 11.678,96 zu zahlen nebst jährliche Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.2.2011.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die eingereichten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Beklagte hat die nach Aufhebung der Versicherungssumme bei der Klägerin eingegangenen Zahlungen von N… in Gesamthöhe von Euro 11.678,96 zu Recht auf die ältesten offenen Forderungen der Klägerin und damit im Ergebnis auf die Entschädigungsleistung angerechnet (§ 5 Ziffer 2.1 AVB).
a) Gegen die Wirksamkeit der Klausel des § 5 Ziffer 2.1 AVB bestehen keine Bedenken. Die Klausel ist weder unklar noch benachteiligt sie den Versicherungsnehmer unangemessen. Die Klausel dient ersichtlich dem Zweck, durch jede Zahlung des versicherten Kunden den versicherten Forderungsbestand zu verringern und damit den Entschädigungsanspruch des Versicherungsnehmers gegen den Versicherer zu begrenzen. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass gegenüber diesem Interesse des Versicherers das Interesse des Versicherungsnehmers an der Wirksamkeit der Tilgungsbestimmung seines Kunden zurückzutreten hat. Das Urteil OLG Hamburg, VersR 96, 1102, betrifft nicht den Fall einer Anrechnungsklausel.
b) Zu Unrecht beruft sich die Klägerin darauf, dass sich aus § 2 Nummer 4 AVB nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht ergebe, dass der Versicherungsschutz mit der Aufhebung der Versicherungssumme ende. Dass die Beklagte den Versicherungsschutz für bestimmte (oder alle) Kunden (mit Wirkung für die Zukunft) aufheben kann, ergibt sich ausdrücklich aus § 2 Nr. 4.1 AVB.
c) § 6 IV VVG n.F. gilt nach §§ 6 VI, 210 II Nr. 2 VVG n.F. i.V.m. Anl. A zum VAG Nr. 14 nicht für Kreditversicherungen von gewerblichen Versicherungsnehmern.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.