LG Landshut – Az.: 73 O 2539/19 – Urteil vom 27.01.2020
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 9.200,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Kraftfahrzeug-Vollkaskoversicherung.
Die Beklagten sind seit 2017 über einen KfZ-Versicherungsvertrag miteinander verbunden.
Versichertes Fahrzeug ist ein Opel Zafira 1.8, dessen Halter der Kläger ist.
Am 15.08.2018 gegen 14:10 Uhr kam es in A (Türkei) zu einem Verkehrsunfall, bei welchem das Fahrzeug des Klägers versichert war.
Auf eine Schadensmeldung verweigerte die Beklagte jegliche Leistung, weil im Rahmen der Vollkaskoversicherung nur auf dem geografischen europäischen Teil der Türkei Versicherungsschutz bestehe (Anlage K 2).
Der Kläger behauptet, bei Abschluss des Vertrages sei ihm versichert worden, dass die Vollkaskoversicherung in der gesamten Türkei Gültigkeit habe. Er behauptet, ihm seien die Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB; Anlage B 1) nicht übersandt worden.
Der Kläger hat zuletzt beantragt: Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger einen Betrag in Höhe von 9.200,00 € zzgl. 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 04.09.2018 zu bezahlen und die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 € zu erstatten.
Die Beklagte hat zuletzt beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen des Parteivortrags im Einzelnen wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
Das Gericht hat am 27.01.2020 mündlich verhandelt. Eine Beweisaufnahme wurde nicht durchgeführt.
Mit Kammerbeschluss vom 08.11.2019 wurde der Rechtstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen, § 348a Abs. 1 ZPO.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig aber unbegründet und kann daher in der Sache keinen Erfolg haben.
I.
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist das Landgericht Landshut gemäß § 1 ZPO i.V.m. §§ 23 Nr. 1, 71 GVG sachlich zuständig, denn der Streitwert beläuft sich auf über 5.000,00 EUR.
Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 215 VVG, denn der Kläger als Versicherungsnehmer hat seinen Wohnsitz im hiesigen Landgerichtsbezirk.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Kläger hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung von 9.200,00 EUR gegen die Beklagte.
1. Der Kläger hat keinen vertraglichen Anspruch auf Leistung.
Der streitgegenständliche Unfall ereignete sich im asiatischen Teil der Türkei, auf welchen sich der Versicherungsschutz der Vollkaskoversicherung jedoch nicht erstreckte (Ziffer 2.4 der Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB; Anlage B 1).
2. Eine hiervon abweichende Individualvereinbarung hat der Kläger nicht nachweisen können. Vielmehr ergibt sich aus seinem eigenen Vortrag, bzw. seiner eigenen Einlassung im Termin vom 27.01.2020, dass eine solche nicht existiert.
Der Kläger hat ausgeführt, den gegenständlichen Versicherungsvertrag über den Versicherungsmakler K. abgeschlossen zu haben, der für die XY AG arbeite.
Dieser habe ihm gegenüber geäußert, dass er vollumfassenden Schutz in der Türkei genieße. Dies habe ausdrücklich auch die Vollkaskoversicherung umfasst.
Daraus ergibt sich jedoch bereits keine Individualvereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten, welche den AKB vorginge.
Denn ausweislich des Parteivortrags handelte Herr K. als Versicherungsmakler.
Versicherungsvermittler im Sinne des § 59 Abs. 1 VVG werden jedoch gerade nicht für den Versicherer tätig, sondern werden mit der Vermittlung durch den potentiellen Versicherungsnehmer beauftragt. Der Versicherungsvermittler steht im Verhältnis zum Versicherer auf Seiten des Kunden und nimmt dessen Interessen wahr (BT-Drucks. 16/1935 S. 22f.). Anders als einem Versicherungsvertreter sind Aus- und Zusagen des Versicherungsmaklers dem Versicherer grundsätzlich nicht zuzurechnen. Dem hat der Gesetzgeber mit einem eigenen Haftungssystem in §§ 60 ff. VVG Rechnung getragen.
3. An diesem Ergebnis ändert auch die klägerische Behauptung nichts, dem Kläger wären zu keinem Zeitpunkt die AKB der Beklagten übersendet worden.
Denn auf die Übersendung kommt es nicht allein an. Erforderlich ist, dass der Vertragspartner auf die AKB hingewiesen wurde und die Möglichkeit hatte, diese zur Kenntnis zu nehmen. Dies hat der Kläger schon nicht bestritten. Insbesondere hat der Kläger in seiner informatorischen Anhörung ausgeführt, dass er den von Herrn K. vorausgefüllten Antrag nur unterschrieben, nicht aber gelesen hat.
Darauf kommt es im Ergebnis jedoch gar nicht an.
Werden nämlich die allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht wirksam in den Vertrag einbezogen, ist die entstehende Lücke gemäß § 306 Abs. 2 BGB, da es geeignetes materielles dispositives Recht nicht gibt, durch ergänzende Vertragsauslegung zu füllen. Die Voraussetzungen für eine solche Auslegung liegen vor, weil die ersatzlose Streichung der Bedingungen den Interessen der Beteiligten nicht angemessen Rechnung tragen würde. Da in den allgemeinen Versicherungsbedingungen auch die Hauptleistungspflichten, insbesondere das versicherte Risiko, umschrieben werden, ließe sich bei ihrem Wegfall oft noch nicht mal eine Einigung darüber konstruieren, was überhaupt versichert sein soll. Es bliebe nur ein leerer Vertrag zurück, der für sich betrachtet keinen Bestand haben könnte. Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist dann einerseits zu beachten, dass sich der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht auf die Unwirksamkeit seiner eigenen Bedingungen berufen darf. Dies würde aber dazu führen, dass der Versicherungsnehmer das freie Wahlrecht hätte, ob er einzelne Klauseln als wirksam behandeln möchte oder eben nicht. Dies schränkt aber die Interessen des Versicherers unangemessen ein. Denn ein solches Wahlrecht führt praktisch dazu, dass der Versicherer das gesamte Risiko des Versicherungsnehmers versichern müsste, aber nur dann von ihm Prämien bekommen würde, wenn es tatsächlich zu einem Versicherungsfall kommt. Dies führt zu einer Äquivalenzstörung, die nicht alleine dem Versicherer aufgebürdet werden darf. Es ist insbesondere zu beachten, dass im Rahmen von Versicherungsverträgen beide Parteien auf die Verwendung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen angewiesen sind. Zudem ist jedem Versicherungsnehmer auch ohne Erfüllung der Voraussetzungen des § 305 Abs. 2 BGB ohne Weiteres klar, dass dem Vertrag irgendwelche allgemeinen Versicherungsbedingungen zugrunde liegen. Der Versicherungsnehmer wird bei verständiger Würdigung nicht erwarten, dass er zwischen der Erfüllung des Vertrages und dessen Nichtigkeit wählen kann.
Das Gericht sieht es nach Abwägung der beiderseitigen Interessen als sachgerecht an, die in dem jeweiligen Versicherungszweig üblicherweise verwendeten Musterbedingungen heranzuziehen. Mit deren Geltung musste der Versicherungsnehmer redlicherweise rechnen. Der Versicherer muss sich allerdings insoweit an seine eigenen Bedingungen halten lassen, als diese günstiger sind als die Versicherungsbedingungen.
Die AKB-Musterbedingungen, wie sie etwa in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 30. Aufl. 2018 enthalten sind, formulieren in Ziffer A.2.4: „Sie haben in Kasko Versicherungsschutz in den geographischen Grenzen Europas sowie den außereuropäischen Gebieten, die zum Geltungsbereich der Europäischen Union gehören.“
Die Musterbedingungen, die zur ergänzenden Vertragsauslegung heranzuziehen sind, hätten daher für den Kläger ebenfalls keinen Versicherungsschutz begründet.
4. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
III.
Zu den Nebenentscheidungen ist auszuführen:
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1, S. 2 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß § 3 ZPO festgesetzt.