OLG Koblenz – Az.: 10 U 1361/15 – Beschluss vom 08.03.2016
Der Senat erwägt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen. Die Gründe werden nachfolgend dargestellt.
Gründe
Die Voraussetzungen nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind nach Auffassung des Senats gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Die Berufung hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht die Klage auf Zahlung einer Invaliditätsentschädigung abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Einwendungen des Klägers zu 1. und Berufungsklägers (im Folgenden: des Klägers) in der Berufungsbegründung rechtfertigen keine andere Beurteilung.
Dem Vertragsverhältnis lagen nach den insoweit im Berufungsverfahren nicht angefochtenen Feststellungen des Landgerichts die AUB 2008 zugrunde. Die Vereinbarung von Versicherungsleistungen ist lediglich für den Invaliditätsfall, nicht auch für den Todesfall, vorgetragen und wird nur mit Blick auf den Invaliditätsfall gerichtlich geltend gemacht. Gemäß Ziff 2.1.1.2 AUB 2008 besteht kein Anspruch auf Invaliditätsleistung, wenn die versicherte Person unfallbedingt innerhalb eines Jahres nach dem Unfall stirbt. Zu Recht und mit zutreffender Begründung führt das angefochtene Urteil aus, die Versicherte sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme am 14.11.2013 an den Folgen der anlässlich des Unfalles am Morgen des 05.11.2013 erlittenen Verletzungen verstorben. Die Kausalkette lasse sich wie folgt darstellen: Schweres Schädelhirntrauma infolge des Unfalles vom 05.11.2013 – Intubation und künstliche Beatmung ab dem 05.11.2013 – Antibiotikatherapie mit Augmentin ab dem 11.11.2013 – Nachweis von Clostridium difficile Toxin am 13.11.2013 – fulminante Clostridium difficile Infektion mit toxischem Megakolon am 13.11.2013 – septisch-toxischer Exitus letalis am 14.11.2013. Damit sei der Tod im Sinne der Ziff. 2.1.1.2 AUB 2008 unfallbedingt eingetreten.
Der Kläger führt mit seiner Berufung zunächst aus, ein Ursachenzusammenhang im Sinne einer „conditio sine qua non“ sei zwar vorliegend sicherlich gegeben. Der Begriff „unfallbedingt“ im Sinne der maßgeblichen Klausel sei indes nicht gleichzusetzen mit dem Begriff der Kausalität im Sinne einer „conditio sine qua non“. Vielmehr müsse der Tod auch adäquate Folge des Unfalles sein. Das Kriterium der Adäquanz sei zwingend erforderlich, um eine uferlose Ausweitung kausaler Faktoren auszuschließen. Ein adäquater Ursachenzusammenhang sei dann gegeben, wenn nach der Lebenserfahrung die objektive Möglichkeit eines Erfolges (der eingetretenen Art) in nicht unerheblicher Weise erhöht worden sei. Den Unfallfolgen könne mithin nur ein solcher Erfolgseintritt zugerechnet werden, der nicht außerhalb jeden inneren Zusammenhanges mit den Unfallverletzungen stehe. Trete der Tod bei der Behandlung von Unfallfolgen hingegen durch Maßnahmen ein, die nicht im Zusammenhang mit den Verletzungen stehen – etwa durch einen Behandlungsfehler oder einen von außen eintretenden neuen Unfall -, sei diese Adäquanz zwischen Unfallverletzung und Tod nicht gegeben.
Diese Ausführungen stellen die Bewertung des angefochtenen Urteils, der Tod der Versicherten sei bedingungsgemäß infolge des Unfalles eingetreten, nicht in Frage. Dem Kläger ist zuzugeben, dass es für die bedingungsgemäße Unfallbedingtheit des Todes nicht genügt, dass der Tod conditio sine qua non für den Unfall war. Ebenso wie für die Begründung eines Anspruchs auf Invaliditätsentschädigung die körperliche Beeinträchtigung adäquat kausal auf den Unfall zurückzuführen sein muss, greifen auch Risikoausschlüsse nur bei adäquatem Kausalzusammenhang ein. So hat das Saarländische Oberlandesgericht Saarbrücken entschieden, für die Beurteilung, ob ein Gesundheitsschaden die vom Versicherungsschutz ausgeschlossene Folge einer Heilbehandlung sei, sei danach zu differenzieren, ob sich in dem Unfall eine solchen Behandlungen innewohnende Gefahr realisiert habe oder aber das allgemeine Lebensrisiko. Bestehe zwischen der Heilmaßnahme und dem Unfall nur ein zufälliger Zusammenhang und hätte das Ereignis ebenso gut im täglichen Leben eintreten können, komme der Ausschluss nicht zum Tragen und der Versicherer müsse leisten (Saarl. OLG Saarbrücken, Urt. v. 09.07.2014 – 5 U 89/13 -, juris).
Nach den vom Kläger selbst aufgezeigten Voraussetzungen war der Tod der Versicherten vorliegend adäquat kausal auf den Unfall zurückzuführen. Dies ergibt sich aus den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. G.; sie stimmen hinsichtlich der Beschreibung und Bewertung der zum Tode führenden medizinischen Vorgänge uneingeschränkt überein mit den Ausführungen im ergänzenden rechtsmedizinischen Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch. vom 09.07.2014, das in der in Luxemburg durchgeführten Todesermittlungssache eingeholt worden war (Anlagenheft 2 zur Gerichtsakte, Bl. 97 ff.). Danach trifft es zwar zu, dass das schwere Schädel-Hirn-Trauma, das die Versicherte erlitten hat, bei isolierter Betrachtung nicht zum Tode geführt hätte. Die Umstände, die in der Folge hinzugetreten sind und den Tod (mit-)verursacht haben, sind indes nicht nur gelegentlich dieses Schädel-Hirn-Traumas eingetreten, gewissermaßen rein zufällig aus seinem Anlass, ohne jedoch damit in einem inneren Zusammenhang zu stehen. Die zum Tode führenden Ereignisse und Entwicklungen stellen sich vielmehr als mittelbare Folge der Schädel-Hirn-Verletzung dar, als typische medizinische Komplikationen, deren Auftreten zwar nicht zwingende Folge der Verletzung war, deren Wahrscheinlichkeit aber durch die Verletzung selbst und die Bemühungen, ihre unmittelbaren Folgen medizinisch zu beherrschen, deutlich erhöht war.
Das gilt zunächst für die Pneumonie, die am 11.11.2013 nach einem Nachweis von Haemophilus influenzae in Trachealsekret Anlass gab, eine erste systemisch wirkende Antibiotikatherapie mit Augmentin einzuleiten. Die Entwicklung einer Pneumonie bei länger als 48 Stunden intubierten und beatmeten Patienten ist erhöht und kommt häufig vor (Gutachten des SV Prof. Dr. G., S. 4; ebenso Gutachten des SV Dr. Sch. S. 13). Die Versicherte war zu diesem Zeitpunkt seit ihrem Unfall am 05.11.2013, also seit 6 Tagen, ununterbrochen intubiert und beatmet, wobei die Intubation und Beatmung selbst – was auch der Kläger nicht in Abrede stellt – unmittelbar aufgrund der unfallbedingt erlittenen schweren Verletzungen erforderlich war. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, es sei unklar, woher der Keimbefall der Atemwege gekommen sei. Letztlich konnten die in Rede stehenden Keime, woher sie auch gekommen sein mögen, nur deshalb die Atemwege besiedeln und eine Pneumonie auslösen, weil die Versicherte über längere Zeit hinweg intubiert war (Gutachten des Sachverständigen Dr. Sch., Seite 12).
Zur Behandlung der Pneumonie ist bei der Versicherten am 11.11.2013 eine Antibiotikatherapie mit Augmentin notwendig geworden und eingeleitet worden. Diese systemische Antibiotikagabe ihrerseits ist Hauptrisikofaktor für die in der Folge aufgetretene Clostridium difficile-Infektion. Auch insoweit kommt es entgegen der Auffassung des Klägers nicht darauf an, woher das Clostridium difficile-Bakterium kam, ob es insbesondere bereits vor dem Unfall im Körper der Versicherten nachzuweisen gewesen wäre oder die Versicherte erst während des unfallbedingten Krankenhausaufenthaltes, etwa weil auch unter den Bedingungen eines stationären Aufenthaltes selbst auf einer Intensivstation völlige Keimfreiheit nach den Erfahrungen der klinischen Praxis nicht in jedem Fall garantiert werden kann, mit dem Keim in Kontakt kam. Gerade dass ca. 20 % der stationär behandelten Patienten asymptomatische Träger des Keimes sind, belegt, dass maßgeblicher Auslöser des letztlich zum Tode führenden toxischen Megakolons nicht allein die Existenz des Keimes war. Das Risiko, dass sich aufgrund des Keimes tatsächlich eine Kolitis entwickelt, ist durch die systemische Antibiotikagabe deutlich gesteigert, weshalb beide Sachverständige die Darmentzündung als antibiotika-assoziierte bewertet haben. Das toxische Megakolon seinerseits ist eine zwar an sich seltene Komplikation einer Clostridium difficile-Infektion, die indes mit einer hohen Mortalität einhergeht, wobei von den Risikofaktoren eines tödlichen Verlaufes – kardiorespiratorische Unterstützung mittels Vasopressoren und/oder Intubation, schwere Infektion und höheres Alter – mindestens einer, die Intubation, vorlag und dies gerade infolge des Unfalles (Gutachten SV Prof. Dr. G., S. 5, Bl. 67 d. A.). Auch insoweit hat sich mithin in der Clostridium difficile-Infektion ein typisches Risiko der systemischen Antibiotikagabe, in der Entwicklung des toxischen Megakolons ein typisches Risiko der Clostridium difficile-Infektion und im Tod der Versicherten das typische und infolge der unfallbedingten Intubation deutlich erhöhte Risiko eines toxischen Megakolons verwirklicht. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, der Tod sei aus unfallfremder Ursache eingetreten, die sich nur zufällig aus Anlass des Unfalles oder der damit assoziierten Verletzungen verwirklicht habe.
Der Kläger ist weiter der Auffassung, unfallbedingt und damit adäquat kausal seien nur solche Folgen, die sich direkt und unmittelbar aus dem Unfall ableiteten. Hieran fehle es vorliegend. Der Tod der Versicherten sei nicht aufgrund des Schädelhirntraumas eingetreten – diese Unfallfolge hätte die Versicherte, was unstreitig ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit überlebt -, sondern aufgrund einer Keimbildung, die offensichtlich durch bzw. während der stationären Behandlung eingetreten sei. Die wertende Annahme eines adäquaten Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem Tode i. S. der Ziff. 2.1.1.2 AUB 2008 setzt indes einen solchen unmittelbaren Kausalzusammenhang ebenso wenig voraus, wie dies für die anspruchsbegründende Annahme eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall und der körperlichen Beeinträchtigung des Patienten, die zur Invalidität führt, erforderlich ist.
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 450.000,- € festzusetzen.