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Krankenversicherung – arglistige Täuschung – Falschbeantwortung Frage nach Zahlungsrückständen

OLG Dresden – Az: 4 U 2299/19 – Beschluss vom 04.11.2019

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.01.2020 wird aufgehoben.

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Beklagten bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Berufungsrügen greifen nicht durch, denn sie ergeben nicht, dass die gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigenden Tatsachen eine andere rechtliche Würdigung rechtfertigen; es liegen weder Fehler in der Tatsachenfeststellung noch in der Rechtsanwendung vor (§§ 513, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Klage abgewiesen, denn der Krankenversicherungsvertrag ist aufgrund der mit Schreiben vom 14.09.2018 erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung gemäß § 142 BGB rückwirkend entfallen. Der Beklagten stand wegen der arglistigen Täuschung des Klägers bei Antragstellung am 05.07.2017 ein Anfechtungsrecht gemäß § 123 BGB zu. Die für das Vorliegen eines Anfechtungstatbestandes beweisbelastete Beklagte hat eine arglistige Täuschung durch den Kläger bezogen auf die auf Seite 3 des Antragsformulars unstreitig falsch beantwortete Frage nach „Zahlungsrückständen“ hinreichend bewiesen.

1. Seine Antwort auf die Frage nach „Zahlungsrückständen“ bei Krankenversicherern war falsch, denn nach dem eigenen Vortrag des Klägers bestanden gegenüber seiner damaligen Krankenversicherung zum Zeitpunkt der Antragstellung am 05.07.2017 Zahlungsrückstände und zwar zumindest Zinsen aus einem Versäumnisurteil des AG Borna sowie Kosten und Zinsen aus dem hierzu ergangenen Vollstreckungsbescheid und dem Kostenfestsetzungsbeschluss zum Versäumnisurteil (vgl. Vortrag im Schriftsatz vom 28.09.2019, S. 4).

2. Eine bewusste Täuschung des Klägers im Antragsformular bezogen auf die o.g. Verbindlichkeiten scheidet nicht deswegen aus, weil er – seinen Vortrag unterstellt – seine bewusst falsche Angabe zu Zahlungsrückständen wegen der angeblichen Formulierung in anderen Versicherungsantragsformularen als Frage nach Beitragsrückständen aufgefasst haben will, die er aber vor dem 05.07.2017 getilgt haben will. Denn den titulierten Zahlungsrückständen lagen unstreitig Forderungen wegen Beitragsrückständen der Krankenversicherung des Klägers zugrunde. Dem Kläger, der seit 2002 als Versicherungsmakler tätig ist, war die Bedeutung der Frage für den Abschluss eines anderen Versicherungsvertrages nach seinem eigenen Vortrag deutlich bewusst. Bereits aus diesem Grund ist es nicht plausibel, dass er die Frage nach Zahlungsrückständen als Frage nach Beitragsrückständen fehlinterpretiert oder sonst wie falsch verstanden haben will, denn diese Frage war für den Abschluss eines neuen Vertrages entscheidend. Er hatte offensichtlich seit Jahren erhebliche Schwierigkeiten mit der Beitragszahlung, so dass er nicht nur in den Notlagentarif eingestuft, sondern darüber hinaus auch ein Vollstreckungstitel wegen Beitragsrückständen gegen ihn erwirkt worden war. Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass ihm beim Abschluss der neuen Krankenversicherung insbesondere die Rückstandsproblematik vor Augen stand und er schon deswegen die eindeutige Frage nach Zahlungsrückständen weder überlesen noch als Frage nach Beitragsrückstände fehlinterpretieren konnte.

3. Die Anfechtungserklärung der Beklagten im Schreiben vom 14.09.2018 ist auch nicht deshalb unwirksam, weil sie wegen „Beitragsrückständen“ erfolgte. Die Anfechtungserklärung war vor dem Hintergrund der unstreitig jahrelang bestehenden und erheblichen Zahlungsschwierigkeiten des Klägers für ihn als Empfänger gemäß §§ 133, 157 BGB auf die Anfechtung wegen des Verschweigens rückständiger Krankenversicherungsleistungen einschließlich etwaiger wegen Nichtzahlung rückständiger Zinsen und Kosten zu beziehen. Dies wird insbesondere durch die Formulierung im Schreiben vom 14.09.2018 deutlich, dass die Beklagte die Information erhalten habe, bei der Nürnberger Krankenversicherung sei „eine Beitragsverrechnung“ vorgenommen. Die Beklagte rügt damit inhaltlich, dass Rückstände bestanden haben, die mit laufenden Zahlungen verrechnet worden sind. Dies bezieht sich somit auf Zahlungsrückstände, die von der Anfechtungserklärung mit umfasst gewesen sind.

4. Dies kann aber letztlich auch dahinstehen, denn die Beklagte hat ferner bewiesen, dass bei Antragstellung ausweislich der Mitteilung der vormaligen Krankenversicherung vom 21.07.2018 (Anlage B5) auch erhebliche Beitragsrückstände in Höhe von 3.624,94 EUR bestanden. Dass Beitragsrückstände in dieser Höhe bestanden, ergibt sich aus der von der Vorversicherung am 21.07.2018 mitübersandten Aufstellung der seit 2010 jeweils monatlich fälligen Beiträge und der jeweils geleisteten Zahlungen. Danach verblieb am 05.07.2017 ein Saldo zu Lasten des Klägers in Höhe von 3.629,24 EUR. Die geringfügige Differenz zur Mitteilung in Höhe von 4,30 EUR ist angesichts der Höhe der Beitragsrückstände nicht erheblich. Dem Nachweis von zum Antragszeitpunkt bestehenden Beitragsrückständen steht auch nicht entgegen, dass der Kläger im Jahr 2017 monatlich 92,89 EUR an die Nürnberger Versicherung überwiesen und die Versicherung dem Kläger eine Mitteilung über Vorsorgeaufwendungen für das Jahr 2017 in Höhe der 2017 erfolgten Zahlungen übersandt hat. Zum einen wurde durch die monatlichen Zahlungen weder der gesamte Rückstand getilgt, zum anderen erreichen die Zahlungen nicht einmal die Höhe der im Jahr 2017 monatlich geschuldeten Beiträge von 95,93 EUR.

Der Kläger hat demgegenüber weder substantiiert vorgetragen noch bewiesen, dass der Beitragsrückstand bei der Nürnberger Versicherung zum Zeitpunkt der Antragstellung getilgt gewesen ist. Dies ergibt sich auch nicht aus der als Anlage K2 vorgelegten Forderungsaufstellung einer Inkassofirma. Die Aufstellung bezieht sich ausschließlich auf die titulierten Beitragsansprüche in Höhe von 1.862,21 EUR zum 12.10.2010. Allein diese waren – bis auf Zinsen und Kosten – offensichtlich durch Zahlungen des Klägers bis zum 13.12.2016 getilgt.

Vor diesem Hintergrund rät der Senat dem Kläger zur Berufungsrücknahme, die zwei Gerichtsgebühren spart.

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