Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- OLG Nürnberg Urteil: Keine Kostenerstattung für Dialyse-Transporte und Physio-Hausbesuche in der Privaten Krankenversicherung (PKV)
- Streit um Kostenerstattung: Privatversicherte klagt gegen Krankenversicherung wegen Dialysefahrten und Physiotherapie-Hausbesuchen
- Argumente der Versicherten: Berufung auf Tarifbedingungen und Rettungskosten für Dialyse-Transporte
- Position der Krankenversicherung: Transportkosten und Hausbesuche nicht tariflich abgedeckt
- Entscheidung OLG Nürnberg: Berufung der Versicherung erfolgreich – Klage vollständig abgewiesen
- Begründung des OLG: Warum Transportkosten zur Dialyse nicht erstattet werden
- Begründung des OLG: Keine Erstattung für Hausbesuchskosten des Physiotherapeuten
- Fazit und Konsequenzen: Versicherte trägt Kosten – Urteil schafft Klarheit bei Auslegung von PKV-Tarifen
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet es, privat krankenversichert zu sein und inwieweit unterscheidet sich der Leistungsumfang von dem der gesetzlichen Krankenversicherung, insbesondere bei Transportkosten zu Behandlungen?
- Welche Klauseln in privaten Krankenversicherungsverträgen sind relevant für die Erstattung von Transportkosten zu ambulanten Behandlungen wie Dialyse, und wie werden diese Klauseln üblicherweise interpretiert?
- Was sind Rettungskosten im Sinne des § 83 VVG und unter welchen Voraussetzungen können Transportkosten zu Dialysebehandlungen als solche geltend gemacht werden?
- Wie werden Zusatzkosten für Hausbesuche von Therapeuten (z.B. Physiotherapeuten) in der privaten Krankenversicherung behandelt und unter welchen Bedingungen sind diese erstattungsfähig?
- Welche Möglichkeiten haben privat Krankenversicherte, wenn ihre Versicherung die Erstattung von Transportkosten oder Hausbesuchen ablehnt, und welche Fristen sind dabei zu beachten?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Urteil Az.: 8 O 2040/20 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Zum vorliegendenDas Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Nürnberg
- Datum: 28.02.2022
- Aktenzeichen: 8 U 224/21
- Verfahrensart: Berufungsverfahren
- Rechtsbereiche: Private Krankenversicherung, Versicherungsrecht, Zivilprozessrecht
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Versicherungsnehmerin, die Kostenerstattung für Transporte zu Dialysen und Hausbesuche von Physiotherapeuten beanspruchte.
- Beklagte: Private Krankenversicherung, die die Kostenerstattung ablehnte.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Eine privat krankenversicherte Person benötigte regelmäßige Transporte zur Dialyse und Physiotherapie-Hausbesuche. Für diese Leistungen entstanden Kosten, deren Erstattung die private Krankenversicherung ablehnte. Das Landgericht gab der Klage statt, wogegen die Versicherung Berufung einlegte.
- Kern des Rechtsstreits: Der Kern des Rechtsstreits war, ob die private Krankenversicherung die Kosten für Transporte zu ambulanten Dialysen und für Hausbesuche von Physiotherapeuten nach ihren Tarifbedingungen erstatten muss.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht hob das Urteil der Vorinstanz auf und wies die Klage vollständig ab. Die Klägerin muss die Kosten des gesamten Rechtsstreits tragen.
- Begründung: Das Gericht begründete, dass die Transportkosten zur Dialyse nach den Versicherungsbedingungen nicht erstattungsfähig seien, da es sich weder um eine Operation noch um eine stationäre Behandlung handele. Auch die Kosten für die Hausbesuche des Physiotherapeuten seien nicht von den Tarifbedingungen gedeckt, da diese Kosten nicht unter die relevanten Gebührenordnungen fielen.
- Folgen: Die klagende Versicherungsnehmerin erhält die beanspruchten Kosten für Transporte und Hausbesuche nicht erstattet. Zudem muss sie die Verfahrenskosten für beide Gerichtsinstanzen tragen.
Der Fall vor Gericht
OLG Nürnberg Urteil: Keine Kostenerstattung für Dialyse-Transporte und Physio-Hausbesuche in der Privaten Krankenversicherung (PKV)

Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg (Az.: 8 U 224/21) vom 28. Februar 2022 bringt Klarheit in eine häufig diskutierte Frage der privaten Krankenversicherung: Müssen Versicherer die Kosten für notwendige Transporte zu regelmäßigen Dialysebehandlungen und die Zusatzkosten für Hausbesuche von Physiotherapeuten erstatten? Das Gericht entschied hier klar zugunsten der Versicherung und wies die Klage einer Versicherten ab. Für privat Versicherte bedeutet dies, dass sie genau prüfen müssen, welche Leistungen ihr Tarif explizit abdeckt, insbesondere bei Transport- und Nebenkosten.
Streit um Kostenerstattung: Privatversicherte klagt gegen Krankenversicherung wegen Dialysefahrten und Physiotherapie-Hausbesuchen
Im Mittelpunkt des Rechtsstreits stand eine Frau, die seit Juni 1999 privat krankenversichert ist. Sie leidet an einer schweren Niereninsuffizienz, die eine regelmäßige Dialysebehandlung erforderlich macht. Dreimal pro Woche musste sie daher eine spezialisierte Dialysepraxis aufsuchen, die etwa 3,5 Kilometer von ihrer Wohnung entfernt liegt. Aufgrund ihres gesundheitlichen Zustands war sie im relevanten Zeitraum vom 1. Februar 2019 bis zum 29. November 2019 nicht in der Lage, diese Fahrten selbstständig durchzuführen und war auf einen Transport durch ein Personenbeförderungsunternehmen angewiesen. Ihre behandelnde nephrologische Praxis stellte hierfür entsprechende Dauertransportscheine aus.
Für diese notwendigen Fahrten entstanden der Versicherten Kosten in Höhe von insgesamt 4.278,08 Euro. Es ist wichtig zu betonen, dass es hierbei nicht um einen einmaligen Transport im Zusammenhang mit einer Operation ging – wie etwa das Legen des Dialysezugangs, das bereits Jahre zuvor erfolgt war –, sondern um die regelmäßigen, wiederkehrenden Fahrten zu den ambulanten Dialysesitzungen.
Zusätzlich zu den Dialysebehandlungen erhielt die Versicherte im Zeitraum vom 4. Februar 2019 bis zum 11. November 2019 auch physiotherapeutische Behandlungen. Da sie diese nicht in der Praxis wahrnehmen konnte, erfolgten die Behandlungen als Hausbesuche. Die Therapiepraxis stellte ihr dafür nicht nur die Kosten für die Krankengymnastik selbst in Rechnung, sondern auch Zusatzkosten für den Hausbesuch und ein Wegegeld in Höhe von insgesamt 755,50 Euro.
Argumente der Versicherten: Berufung auf Tarifbedingungen und Rettungskosten für Dialyse-Transporte
Die Versicherte forderte von ihrer privaten Krankenversicherung die vollständige Erstattung beider Kostenblöcke. Für die Transportkosten zur Dialyse stützte sie ihre Forderung auf mehrere Argumentationslinien. Zum einen sah sie die Kosten als sogenannte Rettungskosten im Sinne des § 83 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) an. Zum anderen verwies sie auf spezifische Klauseln in ihren Versicherungsbedingungen. Sie argumentierte, dass die Fahrten entweder unter die Regelung für Transporte im Zusammenhang mit einer ambulanten Operation (Ziffer 1.1 e der Tarifbedingungen) oder unter die Regelung für Transporte zu und von einem Krankenhaus bei stationärer Behandlung (Ziffer 1.2 f der Tarifbedingungen) fallen müssten. Ihrer Ansicht nach würde eine zu enge Auslegung dieser Klauseln das grundlegende Leistungsversprechen der Krankenversicherung aushöhlen und den Versicherungsschutz entwerten.
Bezüglich der Kosten für die Hausbesuche des Physiotherapeuten argumentierte die Versicherte, dass diese untrennbar mit der eigentlichen Heilbehandlung verbunden seien. Die Zusatzkosten für den Hausbesuch und das Wegegeld seien daher als erstattungsfähige Kosten des Heilmittels selbst anzusehen und somit von der Versicherung zu übernehmen.
Position der Krankenversicherung: Transportkosten und Hausbesuche nicht tariflich abgedeckt
Die private Krankenversicherung lehnte die Erstattung der Kosten jedoch ab. Sie vertrat die Auffassung, dass die Transportkosten zur Dialyse keine Kosten der eigentlichen Heilbehandlung seien. Vielmehr handele es sich um Fahrten zu einer ambulanten Behandlung, die nach den vereinbarten Tarifbedingungen nicht erstattungsfähig seien. Die von der Versicherten zitierten Klauseln für ambulante Operationen oder stationäre Krankenhausbehandlungen seien hier nicht anwendbar.
Auch die Kosten für die Hausbesuche des Physiotherapeuten seien nicht gedeckt. Zwar würden die Tarifbedingungen für Heilmittel auf Abschnitt E der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) verweisen, welcher physikalisch-medizinische Leistungen umfasst. Die speziellen Kosten für Hausbesuche und Wegegeld, die in anderen Abschnitten der GOÄ (§§ 8, 9 GOÄ) geregelt sind und sich primär auf ärztliche Tätigkeiten beziehen, seien von diesem Verweis jedoch nicht erfasst.
Das erstinstanzliche Gericht, das Landgericht Nürnberg-Fürth, hatte der Klage der Versicherten noch überwiegend stattgegeben. Es sah insbesondere die Tarifbedingung bezüglich stationärer Behandlungen (Ziffer 1.2 f) im Hinblick auf die Dialyse, die oft als „teilstationär“ beschrieben wird, als unklar an. Gemäß der Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) legte das Landgericht diese Unklarheit zugunsten der Versicherten aus. Ähnlich argumentierte es bei den Hausbesuchskosten: Der Verweis auf Abschnitt E der GOÄ schließe die Erstattung von Wegegeld nach §§ 8, 9 GOÄ nicht explizit aus; auch hier gingen Unklarheiten zulasten der Versicherung. Gegen dieses Urteil legte die Krankenversicherung Berufung ein.
Entscheidung OLG Nürnberg: Berufung der Versicherung erfolgreich – Klage vollständig abgewiesen
Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg kam zu einem anderen Ergebnis. Es hob das Urteil des Landgerichts vollständig auf und wies die Klage der Versicherten in vollem Umfang ab. Die Konsequenz: Die Versicherte erhält keine Kostenerstattung für die Dialysetransporte und die Physiotherapie-Hausbesuche. Zudem muss sie die gesamten Kosten des Rechtsstreits tragen.
Begründung des OLG: Warum Transportkosten zur Dialyse nicht erstattet werden
Das OLG Nürnberg begründete seine Entscheidung detailliert und legte dabei die Versicherungsbedingungen nach den etablierten Grundsätzen des Bundesgerichtshofs (BGH) aus. Maßgeblich ist demnach, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne spezielle Rechtskenntnisse die Klauseln bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Ein Versicherungsnehmer müsse dabei auch damit rechnen, dass weitreichende Leistungsversprechen durch spezifische Regelungen konkretisiert und auch eingeschränkt werden können.
Dialyse ist keine ambulante Operation: Das Gericht stellte klar, dass die regelmäßigen Dialysebehandlungen nicht als „ambulante Operation“ im Sinne der Tarifbedingung Ziffer 1.1 e) zu werten sind. Eine Operation sei nach allgemeinem Sprachgebrauch und medizinischer Definition ein chirurgischer Eingriff, der die körperliche Integrität verletzt. Bei der Dialyse würden jedoch lediglich Schläuche an einen bereits vorhandenen Zugang angeschlossen und wieder getrennt – dies sei kein chirurgischer Eingriff. Die Betreuung erfolge durch Pflegepersonal, ein Arzt überwache nur. Die Klausel sei daher nicht unklar und die Unklarheitenregel (§ 305c Abs. 2 BGB) nicht anwendbar.
Keine stationäre Behandlung und kein Transport zum Krankenhaus: Auch die Tarifbedingung Ziffer 1.2 f), die Transporte „zum und vom Krankenhaus“ bei stationärer Behandlung abdeckt, greife nicht. Erstens erfolgten die Transporte unstreitig zu einer Dialysepraxis, nicht zu einem Krankenhaus. Eine Auslegung, die auch Fahrten zu einer Praxis einschließt, sei nach dem Verständnis eines Durchschnittsversicherten nicht gerechtfertigt, wenn der Tarif explizit „Krankenhaus“ nennt. Zweitens sei die Dialyse in diesem Fall keine (teil-)stationäre Behandlung. Zwar fehle eine eindeutige Definition in den Bedingungen, aber ein verständiger Versicherungsnehmer unterscheide (teil-)stationär von ambulant vor allem durch Dauer und Ort. (Teil-)Stationär impliziere einen Aufenthalt auf einer Station, eine physische und organisatorische Eingliederung in das Versorgungssystem eines Krankenhauses. Ambulant bedeute hingegen, zur Behandlung zu erscheinen und den Ort danach wieder zu verlassen – genau das tat die Versicherte. Die Dialyse in einer Praxis erfülle diese Kriterien für eine stationäre Behandlung nicht, selbst wenn die Praxis räumlich an ein Krankenhaus angebunden sein sollte. Auch diese Klausel sei somit nicht unklar.
Keine unangemessene Benachteiligung oder Aushöhlung des Vertrags: Das Gericht verneinte auch eine unangemessene Benachteiligung der Versicherten nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Der Zweck der privaten Krankenversicherung – die Abdeckung des Krankheitskostenrisikos für medizinisch notwendige Heilbehandlung – sei weiterhin erfüllt, da die Kosten der Dialyse selbst übernommen würden. Transportkosten seien keine Heilbehandlungskosten im engeren Sinne, sondern lediglich Kosten, die die Behandlung ermöglichen. Sie beginnen vor der eigentlichen Behandlung. Die Beschränkung der Erstattung solcher Nebenkosten auf bestimmte Fälle (hier: stationäre Krankenhausbehandlung) sei nicht unüblich und gefährde den Vertragszweck nicht grundsätzlich, auch wenn die Kosten im Einzelfall hoch sein können. Der Versicherten werde lediglich zugemutet, die Kosten für Transporte zu ambulanten Behandlungen außerhalb eines Krankenhauses selbst zu tragen.
Kein Anspruch aus früheren freiwilligen Leistungen oder Treu und Glauben: Sollte die Versicherung in der Vergangenheit ähnliche Kosten freiwillig erstattet haben, begründe dies keinen Rechtsanspruch für die Zukunft, insbesondere wenn diese Leistungen klar als „freiwillig“ deklariert wurden. Sich auf den eindeutigen Vertragsinhalt zu berufen, sei dann nicht treuwidrig (§ 242 BGB).
Keine Rettungskosten nach VVG: Schließlich seien die Transportkosten auch keine Rettungskosten im Sinne der §§ 82, 83 VVG. Rettungskosten dienen dazu, einen Versicherungsfall abzuwenden oder dessen Folgen (Schaden) zu mindern. Die Transportkosten ermöglichten zwar die notwendige Dialyse, sie minderten aber nicht die Kosten der Dialyse selbst oder anderer erstattungspflichtiger Behandlungen.
Begründung des OLG: Keine Erstattung für Hausbesuchskosten des Physiotherapeuten
Auch hinsichtlich der Kosten für die Hausbesuche des Physiotherapeuten verneinte das OLG einen Erstattungsanspruch.
Tarifregelungen für Transportkosten nicht anwendbar: Die Klauseln Ziffer 1.1 e) und 1.2 f) beziehen sich auf den Transport des Versicherten selbst, nicht auf die Fahrtkosten eines Therapeuten zum Versicherten.
Keine Deckung durch GOÄ-Verweis: Die maßgebliche Tarifregelung (Teil II § 5 (1) zu § 4 (1-5) RB/KK 2008) beziehe sich auf erstattungsfähige „Gebühren“ laut Gebührenordnungen. Nach § 4 Abs. 1 GOÄ sind dies Vergütungen für ärztliche Leistungen. Auch das Wegegeld und die Reiseentschädigung nach §§ 8, 9 GOÄ beziehen sich auf ärztliche Tätigkeiten. Die hier geltend gemachten Kosten entstanden jedoch durch einen Physiotherapeuten, nicht durch einen Arzt.
Heilmittelregelung umfasst keine Hausbesuchskosten: Die speziellere Regelung für Heilmittel (Teil II § 5 (3) zu § 4 (3) RB/KK 2008) verweist auf Abschnitt E der GOÄ (Physikalisch-medizinische Leistungen). Die Kosten für Hausbesuche und Wegegeld sind jedoch nicht in Abschnitt E der GOÄ geregelt. Ein Verweis auf die §§ 8, 9 GOÄ findet sich in dieser Heilmittelklausel nicht. Es fehle somit an einer vertraglichen Grundlage für die Erstattung dieser spezifischen Kosten, zumal §§ 8, 9 GOÄ, wie erwähnt, ärztliche Tätigkeiten voraussetzen.
Fazit und Konsequenzen: Versicherte trägt Kosten – Urteil schafft Klarheit bei Auslegung von PKV-Tarifen
Das Urteil des OLG Nürnberg stellt klar, dass privat Versicherte keinen automatischen Anspruch auf Erstattung von Transportkosten zu ambulanten Behandlungen wie der Dialyse haben, selbst wenn diese medizinisch notwendig sind. Entscheidend sind die konkreten Formulierungen im Versicherungstarif. Wenn dieser die Erstattung auf Transporte zum/vom Krankenhaus bei stationärer Behandlung beschränkt, sind Fahrten zu einer Arzt- oder Dialysepraxis nicht abgedeckt. Ebenso sind Zusatzkosten für Hausbesuche von nicht-ärztlichen Therapeuten wie Physiotherapeuten nur dann erstattungsfähig, wenn dies im Tarif explizit vorgesehen ist. Der allgemeine Verweis auf GOÄ-Leistungen reicht hierfür nicht aus, wenn die spezifischen Gebührenpositionen für Hausbesuche nicht von der Verweisungsnorm umfasst sind.
Für Versicherte bedeutet dies, die eigenen Tarifbedingungen genau zu prüfen und im Zweifel vorab bei der Versicherung nachzufragen, welche Kosten übernommen werden. Das Gericht sah die hier geprüften Tarifklauseln als eindeutig und nicht als unangemessen benachteiligend an. Die Klage wurde vollständig abgewiesen, und die Versicherte muss die Kosten des Verfahrens tragen. Da das Gericht die Revision nicht zugelassen hat, ist das Urteil rechtskräftig, sofern keine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt wird.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das OLG Nürnberg entschied, dass private Krankenversicherungen weder Transportkosten zu regelmäßigen Dialysebehandlungen noch Zusatzkosten für Physiotherapie-Hausbesuche erstatten müssen, sofern diese nicht explizit im Versicherungstarif genannt sind. Die wesentliche Erkenntnis ist, dass Transportkosten zu ambulanten Behandlungen keine Heilbehandlungskosten im engeren Sinne darstellen und daher nicht automatisch erstattungsfähig sind, auch wenn sie medizinisch notwendig erscheinen. Privat Versicherte sollten ihre Tarifbedingungen genau prüfen, da nur die dort ausdrücklich genannten Leistungen abgedeckt sind und Gerichte bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen strenge Maßstäbe anlegen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet es, privat krankenversichert zu sein und inwieweit unterscheidet sich der Leistungsumfang von dem der gesetzlichen Krankenversicherung, insbesondere bei Transportkosten zu Behandlungen?
Privat krankenversichert zu sein bedeutet, dass Sie einen eigenen Vertrag über Ihren Krankenversicherungsschutz direkt mit einer privaten Versicherungsgesellschaft abschließen. Dieser Vertrag regelt genau, welche medizinischen Leistungen die Versicherung im Krankheitsfall bezahlt.
Der Hauptunterschied zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) liegt darin, dass die Leistungen in der GKV für alle Versicherten weitgehend gesetzlich festgelegt sind (im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V). Man spricht hier vom Solidarprinzip, bei dem die Leistungen unabhängig von den individuellen Beiträgen im Wesentlichen gleich sind.
In der privaten Krankenversicherung (PKV) hängt der Umfang der Leistungen von Ihrem ganz persönlichen Versicherungsvertrag und dem spezifischen Tarif ab, den Sie gewählt haben. Es gibt eine große Vielfalt an Tarifen, die sich erheblich unterscheiden können. Manche Tarife bieten sehr umfangreiche Leistungen, andere sind grundlegender gestaltet.
Leistungsumfang in der PKV im Vergleich zur GKV
Während die GKV einen Katalog von „ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen“ Leistungen bietet, die für alle Versicherten gelten, können Sie in der PKV durch die Wahl Ihres Tarifs bestimmen, welche Leistungen genau versichert sind. Das kann zum Beispiel die Behandlung durch Chefärzte, Unterbringung im Einzelzimmer im Krankenhaus oder die Erstattung von Kosten für Heilpraktikerleistungen umfassen, wenn dies im Tarif vereinbart ist.
Beispiel: Transportkosten zu Behandlungen
Bei den Transportkosten zu Behandlungen, wie zum Beispiel Fahrten mit dem Taxi oder Krankentransportwagen zum Arzt oder ins Krankenhaus, zeigt sich der Unterschied deutlich:
- In der gesetzlichen Krankenversicherung ist die Erstattung von Transportkosten gesetzlich geregelt. Sie ist in der Regel nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, beispielsweise bei medizinischer Notwendigkeit oder wenn bestimmte Behandlungen ambulant durchgeführt werden, obwohl sie sonst stationär wären. Oft ist eine vorherige Genehmigung der Krankenkasse nötig, und es kann ein Eigenanteil anfallen.
- In der privaten Krankenversicherung hängt die Erstattung von Transportkosten allein davon ab, was in Ihrem spezifischen Versicherungsvertrag und Ihrem gewählten Tarif vereinbart wurde. Es gibt keine einheitliche gesetzliche Regelung für alle Privatversicherten. Ihr Vertrag kann die Kosten vollständig, teilweise oder gar nicht abdecken. Die Bedingungen für eine Erstattung (z.B. Art des Transports, medizinische Notwendigkeit, Entfernung) sind ebenfalls im Vertrag festgelegt.
Es ist daher für privat Krankenversicherte sehr wichtig, die Bedingungen des eigenen Versicherungsvertrages und des gewählten Tarifs genau zu kennen, um zu wissen, welche Leistungen abgedeckt sind und welche nicht. Dies gilt nicht nur für Transportkosten, sondern für alle medizinischen Leistungen.
Welche Klauseln in privaten Krankenversicherungsverträgen sind relevant für die Erstattung von Transportkosten zu ambulanten Behandlungen wie Dialyse, und wie werden diese Klauseln üblicherweise interpretiert?
In privaten Krankenversicherungsverträgen gibt es oft spezifische Abschnitte, die sich mit der Übernahme von Transportkosten oder Krankenfahrten befassen. Die Relevanz dieser Klauseln für die Erstattung von Fahrten zu ambulanten Behandlungen wie Dialyse hängt stark vom genauen Wortlaut und dem Umfang der jeweiligen Bedingungen ab.
Viele Versicherungsverträge sehen typischerweise die Erstattung von Transportkosten vor, wenn die Fahrt im Zusammenhang mit einem stationären Krankenhausaufenthalt oder einer ambulanten Operation steht. Solche Klauseln regeln oft, unter welchen Bedingungen beispielsweise die Kosten für einen Krankenwagen, ein Taxi oder auch Fahrtkosten bei Nutzung des eigenen PKW übernommen werden, wenn die Fahrt zu oder von einem Krankenhaus oder einer Praxis für eine Operation erfolgt.
Für regelmäßige ambulante Behandlungen wie die Dialyse, die keine Operation im herkömmlichen Sinn ist und typischerweise nicht im Rahmen eines stationären Aufenthalts erfolgt, greifen diese spezifischen Klauseln oft nicht direkt. Die Versicherung argumentiert dann häufig, dass die vertraglich genannten Voraussetzungen (stationär oder Operation) für die Kostenerstattung nicht erfüllt sind.
Wie werden diese Klauseln interpretiert?
Versicherungen legen die Bedingungen oft sehr eng nach ihrem Wortlaut aus. Steht dort, dass nur Fahrten zu stationären Behandlungen oder Operationen erstattet werden, lehnen sie die Kostenübernahme für Fahrten zur regelmäßigen ambulanten Dialyse oft ab.
Gerichte, die über solche Streitigkeiten entscheiden, prüfen jedoch, ob die Bedingungen klar und verständlich sind und den Versicherten nicht unangemessen benachteiligen. Sie versuchen herauszufinden, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer ohne juristische Vorkenntnisse die Klausel verstehen würde. Dabei kann auch eine Rolle spielen, ob der Transport medizinisch notwendig ist, weil der Gesundheitszustand des Versicherten die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder eines normalen PKWs unmöglich macht.
Medizinische Notwendigkeit und Zweck der Fahrt
Ein wichtiger Punkt ist die medizinische Notwendigkeit des Transports selbst. War es aus medizinischer Sicht unumgänglich, ein spezielles Fahrzeug (wie ein Taxi oder Mietwagen mit Rollstuhltransport) zu nutzen, um überhaupt zur Behandlung zu gelangen?
Auch wenn die Fahrt nicht direkt unter die Klauseln für stationäre Aufenthalte oder Operationen fällt, kann in Einzelfällen argumentiert werden, dass die Fahrt unumgänglich ist, um eine versicherte und medizinisch notwendige Behandlung überhaupt in Anspruch nehmen zu können, besonders wenn es sich um eine lebensnotwendige Behandlung wie Dialyse handelt. Hierbei geht es um den Zweck der Fahrt im Lichte der medizinischen Gesamtsituation und der Tatsache, dass die Dialyse selbst eine versicherte Leistung darstellt.
Letztlich kommt es immer auf den individuellen Vertrag und die konkreten Umstände des Einzelfalls an, wie eine Klausel im Streitfall von einem Gericht interpretiert würde. Die strikte Auslegung durch die Versicherung aufgrund des Wortlauts ist die eine Seite, die Auslegung durch die Gerichte unter Berücksichtigung der medizinischen Notwendigkeit und des Zwecks der Fahrt kann eine andere sein.
Was sind Rettungskosten im Sinne des § 83 VVG und unter welchen Voraussetzungen können Transportkosten zu Dialysebehandlungen als solche geltend gemacht werden?
Rettungskosten sind Ausgaben, die Ihnen entstehen, wenn Sie notwendige Maßnahmen ergreifen, um eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit abzuwenden oder bereits eingetretene Schäden zu mindern. Stellen Sie sich vor, etwas Unvorhergesehenes passiert, das sofortiges Handeln erfordert, um Schlimmeres zu verhindern. Die Versicherung soll einen Teil der Kosten für dieses sofortige Handeln übernehmen.
Der Gesetzgeber beschreibt in § 83 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) diese Rettungskosten. Wichtig ist hierbei, dass die Maßnahmen den Umständen nach geboten waren, auch wenn sie vielleicht nicht den gewünschten Erfolg hatten. Es geht also darum, dass Sie in einer gefährlichen Situation vernünftig gehandelt haben, um Schaden abzuwenden.
Hürden bei Transportkosten für Dialyse als Rettungskosten
Transportkosten für regelmäßige Behandlungen wie Dialyse fallen grundsätzlich nicht unter die Definition der Rettungskosten im Sinne von § 83 VVG. Hier sind die Gründe und Hürden:
- Fehlende Unmittelbarkeit der Gefahr: Rettungskosten decken Maßnahmen ab, die eine unmittelbare Gefahr abwenden sollen. Eine Dialysebehandlung ist zwar medizinisch notwendig und lebenswichtig für Patienten mit Nierenerkrankungen, aber die Notwendigkeit des Transports zur regelmäßigen, geplanten Behandlung wird rechtlich in der Regel nicht als Maßnahme zur Abwendung einer unmittelbaren Lebensgefahr oder schwerwiegender Gesundheitsschäden zum Zeitpunkt des Transports selbst angesehen.
- Keine akute, unvorhergesehene Situation: Rettungskosten entstehen typischerweise in akuten, unvorhergesehenen Notfällen, bei denen schnell gehandelt werden muss, um eine Verschlechterung des Zustands zu verhindern. Die regelmäßige Fahrt zur Dialyse ist hingegen Teil einer langfristigen, geplanten Therapie.
- Der Transport als solcher ist nicht die „Rettungsmaßnahme“: Die eigentliche lebensrettende oder schadensmindernde Maßnahme ist die Dialysebehandlung selbst. Der Transport dorthin ist nur die notwendige logistische Voraussetzung für die Durchführung einer chronisch indizierten (angezeigten) Behandlung, nicht die Maßnahme zur Abwendung einer akuten Gefahr während der Fahrt.
Für eine Anerkennung als Rettungskosten müssten Sie nachweisen, dass der konkrete Transport eine unmittelbare, in diesem Moment bestehende akute Gefahr abgewendet hat, vergleichbar mit einem Notfalltransport ins Krankenhaus. Eine solche akute Gefahr liegt bei einer regelmäßig geplanten Dialysefahrt in der Regel nicht vor.
Daher ist es sehr schwierig, die Kosten für den Transport zu einer routinemäßigen Dialysebehandlung als Rettungskosten nach § 83 VVG geltend zu machen. Die Rechtsprechung betrachtet solche Fahrten üblicherweise nicht als Maßnahmen zur Abwendung einer unmittelbaren Gefahr in diesem Sinne.
Wie werden Zusatzkosten für Hausbesuche von Therapeuten (z.B. Physiotherapeuten) in der privaten Krankenversicherung behandelt und unter welchen Bedingungen sind diese erstattungsfähig?
Die Erstattung von Zusatzkosten für Hausbesuche von Therapeuten in der privaten Krankenversicherung (PKV) ist nicht automatisch geregelt und hängt stark von Ihrem individuellen Versicherungstarif und den Vertragsbedingungen ab. Solche Zusatzkosten umfassen in der Regel den eigentlichen Hausbesuchszuschlag und das Wegegeld für die Anfahrt des Therapeuten.
Für die Erstattung dieser Kosten sind in der Regel zwei zentrale Punkte entscheidend:
Medizinische Notwendigkeit des Hausbesuchs
Zunächst muss der Hausbesuch selbst medizinisch notwendig sein. Das bedeutet, dass Ihr behandelnder Arzt auf der Verordnung (dem Rezept) ausdrücklich bescheinigen muss, dass Sie aus medizinischen Gründen nicht in der Lage sind, die Therapiepraxis aufzusuchen. Ohne diese ärztliche Begründung auf der Verordnung wird die Versicherung die Zusatzkosten für den Hausbesuch in aller Regel nicht übernehmen. Die medizinische Notwendigkeit bezieht sich auf Ihren Gesundheitszustand und die dadurch bedingte Unfähigkeit, die Praxis zu erreichen.
Regelungen im Versicherungstarif
Auch wenn der Hausbesuch medizinisch notwendig ist, bedeutet das nicht automatisch, dass Ihre private Krankenversicherung die Zusatzkosten (Zuschlag und Wegegeld) vollständig oder überhaupt erstattet. Hier kommt es maßgeblich darauf an, was Ihr konkreter Versicherungstarif vorsieht.
- Einige Tarife schließen die Erstattung von Hausbesuchszuschlägen und Wegegeldern ganz oder teilweise aus.
- Andere Tarife begrenzen die Erstattung möglicherweise auf bestimmte Höchstbeträge pro Besuch oder pro Jahr.
- Wieder andere Tarife orientieren sich bei der Erstattung an den Sätzen offizieller Gebührenordnungen oder legen eigene Pauschalen fest.
Ihr Versicherungstarif legt also fest, welche zusätzlichen Kosten für den Hausbesuch (über die Kosten der Therapie selbst hinaus) unter welchen Voraussetzungen übernommen werden. Die Tatsache, dass der Hausbesuch medizinisch notwendig ist, begründet zwar die Notwendigkeit der Behandlung an diesem Ort, aber nicht zwingend die Pflicht der Versicherung zur Übernahme aller damit verbundenen Mehrkosten, wenn der Tarif dies einschränkt oder ausschließt.
Für Sie ist daher wichtig, die Leistungsbeschreibung Ihres Versicherungstarifs genau zu prüfen. Dort finden Sie Informationen darüber, ob und in welchem Umfang Zusatzkosten für ärztlich verordnete Hausbesuche erstattungsfähig sind. Die Entscheidung der Versicherung hängt letztlich davon ab, ob die Voraussetzungen – sowohl die medizinische Notwendigkeit als auch die tarifliche Abdeckung der Zusatzkosten – erfüllt sind.
Welche Möglichkeiten haben privat Krankenversicherte, wenn ihre Versicherung die Erstattung von Transportkosten oder Hausbesuchen ablehnt, und welche Fristen sind dabei zu beachten?
Wenn Ihre private Krankenversicherung die Übernahme von Kosten für Transport oder Hausbesuche ablehnt, erhalten Sie in der Regel ein schriftliches Schreiben, in dem die Gründe für die Ablehnung genannt werden. Dieses Schreiben ist sehr wichtig, denn es enthält Informationen über Ihre weiteren Handlungsmöglichkeiten und die dafür geltenden Fristen.
Was tun nach einer Ablehnung?
Ein zentraler Schritt, um eine Ablehnung anzufechten, ist der Widerspruch. Ein Widerspruch ist eine formelle Erklärung, dass Sie mit der Entscheidung der Versicherung nicht einverstanden sind. Sie müssen den Widerspruch schriftlich einreichen und darin begründen, warum Sie die Ablehnung für falsch halten. Das kann zum Beispiel sein, weil Ihrer Meinung nach eine medizinische Notwendigkeit vorlag oder der Transport bzw. Hausbesuch vertraglich versichert ist.
Für diesen Widerspruch gibt es eine wichtige Frist. Diese Frist ist üblicherweise im Ablehnungsschreiben selbst genannt, oft beträgt sie einen Monat ab Erhalt des Schreibens. Es ist äußerst wichtig, diese Frist genau einzuhalten, da Ihr Recht, die Ablehnung später noch anzufechten, andernfalls verloren gehen kann.
Weitere Schritte und alternative Wege
Wenn Ihr Widerspruch von der Versicherung ebenfalls abgelehnt wird oder die Versicherung nicht innerhalb einer angemessenen Zeit darauf reagiert, stehen Ihnen weitere Wege offen. Eine Möglichkeit ist die Klage vor einem Zivilgericht. Dabei wird Ihre Forderung gerichtlich geprüft. Eine Klage ist ein formeller juristischer Prozess und folgt bestimmten Regeln und Fristen.
Eine alternative oder ergänzende Möglichkeit kann die außergerichtliche Streitschlichtung sein. In der privaten Krankenversicherung gibt es zum Beispiel den Ombudsmann für die Private Kranken- und Pflegeversicherung. Dies ist eine neutrale Stelle, die bei Streitigkeiten zwischen Versicherten und Versicherungen vermitteln kann. Dieses Verfahren ist oft kostenlos und kann helfen, eine Lösung ohne gerichtliche Auseinandersetzung zu finden, ist aber meist freiwillig und nicht in jedem Fall bindend.
Bei all diesen Schritten, vom Widerspruch über die Klage bis hin zur Streitschlichtung, spielen Fristen eine entscheidende Rolle. Jede Mitteilung der Versicherung oder eines Gerichts kann neue Fristen auslösen, deren Einhaltung für die Wahrung Ihrer Rechte unerlässlich ist. Es ist daher ratsam, alle erhaltenen Schreiben sorgfältig zu prüfen und die darin genannten Fristen genau zu beachten.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Unklarheitenregel (§ 305c Abs. 2 BGB)
Die Unklarheitenregel ist eine Vorschrift im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), die beim Auslegen von Vertragsbedingungen angewendet wird, die für den Kunden vorformuliert sind, also typischen Verbraucherverträgen wie Versicherungsverträgen. Sie besagt, dass bei Mehrdeutigkeiten oder Unklarheiten in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) diese zu Lasten des Verwenders ausgelegt werden müssen. Das bedeutet, unklare Formulierungen kommen zugunsten des Vertragspartners, hier des Versicherten, zum Tragen.
Im vorliegenden Fall wurde diese Regel vom Landgericht noch zugunsten der Versicherten angewandt, um unklare Klauseln im Tarif zugunsten der Erstattung auszulegen. Das Oberlandesgericht hingegen sah die Klauseln als klar an und lehnte die Anwendung dieser Regel ab.
Rettungskosten (§ 83 Versicherungsvertragsgesetz, VVG)
Rettungskosten sind nach § 83 VVG die Kosten, die entstehen, wenn jemand in einer gefährlichen Lage angemessene Maßnahmen ergreift, um eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit von sich oder anderen abzuwenden oder Schäden zu mindern. Voraussetzung ist, dass die Maßnahmen in der konkreten Situation sinnvoll und notwendig waren, auch wenn kein Erfolg erzielt wurde.
Im Fall der Dialysetransporte ist zu beachten, dass regelmäßige Fahrten zu geplanten, nicht-akuten Behandlungen keine unmittelbare Gefahr abwenden. Daher sind Transportkosten zu Dialysebehandlungen üblicherweise keine Rettungskosten im Sinne des VVG und nicht erstattungsfähig.
Beispiel: Die Kosten eines Krankenwagenrufs nach einem Herzinfarkt sind Rettungskosten, die Kosten für eine geplante Fahrt zum regelmäßigen Dialyse-Termin nicht.
Stationäre und ambulante Behandlung
Eine stationäre Behandlung liegt vor, wenn ein Patient für eine medizinische Behandlung in einem Krankenhaus aufgenommen wird und dort mindestens eine Nacht verbringt. Ambulant bedeutet, dass die Behandlung ohne Übernachtung erfolgt, typischerweise in einer Arztpraxis oder Ambulanz, und der Patient die Einrichtung danach wieder verlässt.
Die Abgrenzung ist entscheidend, weil private Krankenversicherungen oft Transportkosten nur im Zusammenhang mit stationären Krankenhausaufenthalten erstatten. Im vorliegenden Fall wurden Dialysen ambulant in einer Praxis durchgeführt, weshalb die Transportkosten nicht unter die Erstattung für stationäre Behandlungen fallen.
Beispiel: Eine Operation mit anschließendem Krankenhausaufenthalt ist stationär; eine Kontrolluntersuchung oder Dialyse während des Tages in der Praxis ist ambulant.
Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und ihre Abschnitte (§§ 8, 9 und Abschnitt E GOÄ)
Die GOÄ regelt die Abrechnung ärztlicher Leistungen in der privaten Krankenversicherung in Deutschland. § 8 und § 9 GOÄ enthalten Regelungen zu Wegegeld und Reiseentschädigungen für den Arzt, die bei Hausbesuchen anfallen können. Abschnitt E der GOÄ umfasst physikalisch-medizinische Leistungen, zu denen auch physiotherapeutische Anwendungen zählen können, soweit diese durch Ärzte erbracht werden.
Im konkreten Fall führt der Verweis auf Abschnitt E nicht automatisch dazu, dass Hausbesuchszuschläge und Wegegeld für Physiotherapeuten erstattungsfähig sind, da §§ 8 und 9 GOÄ speziell ärztliche Tätigkeiten adressieren. Die Physiotherapeuten sind keine Ärzte, weshalb die daraus resultierenden Zusatzkosten für deren Hausbesuche oft nicht vom Tarif gedeckt sind.
Beispiel: Ein Arzt berechnet Wegegeld für Hausbesuche, ein Physiotherapeut berechnet hierfür separat Zuschläge, die nicht automatisch von der PKV erstattet werden.
Durchschnittlicher Versicherungsnehmer (Auslegungsmaßstab von Versicherungsverträgen)
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer ist ein hypothetischer, verständiger Vertragspartner ohne spezielle juristische oder medizinische Kenntnisse, der beim Verstehen und Auslegen von Versicherungsbedingungen maßgeblich ist. Gerichte prüfen, wie diese Person die Vertragsklauseln unter Berücksichtigung des gesamten Vertragstexts und des Sinnzusammenhangs versteht.
Im vorliegenden Fall war entscheidend, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer den Begriff „Krankenhaus“ in den Tarifklauseln nicht so weit auslegt, dass er auch eine Dialysepraxis umfasst, und dass Dialysebehandlungen nicht unter „ambulante Operationen“ fallen.
Beispiel: Wenn eine Klausel nur „Krankenhaus“ sagt, würde ein durchschnittlicher Versicherter nicht automatisch an eine Arztpraxis oder andere Behandlungseinrichtungen denken.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- Versicherungsvertragsgesetz (VVG) §§ 82, 83: Diese Vorschriften regeln die Übernahme von Rettungskosten, also Aufwendungen zur Abwendung oder Minderung eines Versicherungsfalls. Rettungskosten sind nur erstattungsfähig, wenn sie unmittelbar dazu dienen, den Schaden zu verhindern oder zu reduzieren. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Transportkosten zur Dialyse wurden vom OLG nicht als Rettungskosten eingestuft, da sie lediglich die Durchführung der Behandlung ermöglichen, aber nicht die Kosten oder Folgen der Dialyse selbst mindern.
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 305c Abs. 2: Diese sogenannte Unklarheitenregel besagt, dass bei mehrdeutigen Vertragsklauseln zugunsten des Vertragspartners auszulegen ist, der diese nicht gestellt hat (meist der Verbraucher). | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG hat diese Regel auf die Tarifklauseln geprüft, sah jedoch keine unklare Formulierung, sodass keine zugunsten der Versicherten abweichende Auslegung erfolgen durfte.
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 307 Abs. 2 Nr. 2: Diese Vorschrift schützt vor unangemessenen Benachteiligungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die wesentliche Vertragspflichten unangemessen einschränken. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG verneinte eine unangemessene Benachteiligung, da die Tarifbeschränkung auf Transportkosten nur bei stationärer Krankenhausbehandlung den Kern des Versicherungsschutzes nicht aushöhlt.
- Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) §§ 4, 8, 9 sowie Abschnitt E: § 4 regelt die Abrechnung ärztlicher Leistungen; §§ 8 und 9 betreffen Wegegeld und Reiseentschädigungen nur für Ärzte, Abschnitt E umfasst physikalisch-medizinische Heilmittel. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Zusatzkosten für Hausbesuche und Wegegeld des Physiotherapeuten sind keine ärztlichen Leistungen nach GOÄ und daher nach Tarifverweis nicht erstattungsfähig.
- Rechtsprechung zur Auslegung von Versicherungsbedingungen (u.a. BGH-Rechtsprechung): Maßgeblich ist die verständige Interpretation aus Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers, wobei spezifische Tarifbeschränkungen zulässig sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG folgte dieser Linie und entschied, dass die Begrifflichkeiten „ambulante Operation“ und „stationäre Krankenhausbehandlung“ klar vom durchschnittlichen Versicherungsnehmer verstanden werden können und die Dialyse sowie Dialysetransporte nicht darunterfallen.
- Versicherungsvertragsgesetz (VVG) Allgemeine Regelungen: Vertragliche Pflichtleistungen ergeben sich aus dem Tarif und sind strikt zu beachten; freiwillige Leistungen begründen keine Rechtsansprüche. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Frühere freiwillige Erstattungen seitens der Versicherung begründen keinen fortlaufenden Erstattungsanspruch, was das OLG zur Abweisung der Klage heranzog.
Das vorliegende Urteil
OLG Nürnberg – Az.: 8 U 224/21 – Urteil vom 28.02.2022
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