OLG Hamm, Urteil vom 04.07.2016, Az.: I-6 U 222/15
Die Berufung des Klägers gegen das am 22.10.2015 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Der Kläger nimmt die beklagte Versicherung auf Zahlung aus einer zwischen den Parteien geschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung in Anspruch.
Mit Nachtrag zum Versicherungsschein vom 6.10.2011 haben die Parteien vereinbart, dass die bestehende Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bis zum 31.10.2025 fortdauern soll. Die Leistung im Rentenfall soll monatlich 1.049,70 EUR betragen. Der monatlich vom Kläger zu leistende Beitrag beläuft sich auf 168,80 EUR. Gemäß § 2 I der besonderen Versicherungsbedingungen (kurz: BB-BUZ) haben die Parteien außerdem folgende Vereinbarung getroffen: “ … Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfall, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich dauernd außer Stande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.“ Hierzu hat sich der Versicherer in § 5 Abs. 2 BB-BUZ folgendes Vorgehen ausbedungen:“ … Wir können ein zeitlich begrenztes Anerkenntnis unter einstweiliger Zurückstellung der Frage aussprechen, ob der Versicherte eine andere Tätigkeit im Sinne des § 2 ausüben kann.“
Der am ……..1971 geborene Kläger ist gelernter Energieelektroniker. Er hat seine dreijährige Ausbildung mit der Fachrichtung „Anlagentechnik“ im Zeitraum von 1992 bis 1995 bei der F absolviert. Anschließend war er bis 1999 bei der Bundeswehr als Kommunikationselektroniker tätig. Nach einer halbjährigen Weiterbildung zum Systemelektroniker war er von 1999 bis 2003 bei einem EDV-Servicecenter angestellt. Dort hat er Computer eingerichtet, Drucker und Kopierer gewartet, sowie Diktiergeräte instandgesetzt. Anschließend war er in der Zeit von 2003 bis 2009 für die Dauer von rund 6 Jahren als Wachmann im Sicherheitsdienst tätig. Dort hat er Aufgaben als Pförtner, Nachtwächter und Rundgänger wahrgenommen. Ab dem Jahr 2009 war er für die Firma E in einem Logistikzentrum als Haustechniker tätig. Dort ist er in der Folgezeit zum stellvertretenden Werkstattleiter aufgestiegen. Zu seinem Anforderungsprofil gehörte eine abgeschlossene Ausbildung der Elektrotechnik. Er war dort zuständig für allgemeine Wartungen, für kleinere Reparaturen und für die Kontrolle größerer Reparaturen der Anlagen durch Fremdfirmen. Hinsichtlich Art und Umfang der von ihm zu erledigenden Aufgaben hatte er eine – im Wesentlichen – eigenständige Entscheidungsbefugnis. Außerdem war er weisungsbefugt gegenüber 8 Aushilfen und 1 Angestellten. Er hat an Schulungen und Lehrgängen teilgenommen. Sein Monatsgehalt betrug 2.083,65 EUR brutto durchschnittlich, zuzüglich einer Zulage i. H. v. 200 EUR für den Bereitschaftsdienst.
Im Zeitraum von Dezember 2011 bis Dezember 2012 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt wegen Diverkulitis mit der Notwendigkeit der Durchführung einer Operation. Nachdem er aufgrund seiner Erkrankung mit Schreiben vom 9.11.2012 Ansprüche wegen Berufsunfähigkeit gegenüber der Beklagten angezeigt hatte, wechselte er innerhalb der Firma seines Arbeitgebers den Arbeitsplatz. Mit Wirkung zum 1.1.2013 war er nach einer speziellen Schulung, die in der – nach Angaben des Klägers „lapidaren“ – Einweisung mit dem Umgang der in der Lagerverwaltung verwendeten Computersystemen bestand, bei der E als Ausgangsexpedient im Bereich Transport / Transportdisposition in demselben Logistikzentrum eingesetzt. Anforderungsprofil für diese Tätigkeit war eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung, auf die die Firma aufgrund der Berufserfahrung des Klägers und der durchgeführten speziellen Schulung verzichtete. Als Ausgangsexpedient war der Kläger zuständig für die Erstellung und Verwaltung der Liefer- und Palettenscheine, sowie der Gefahrgutpapiere. Die Prüfung der Einhaltung der entsprechenden Vorschriften durch die LKW-Fahrer durch den Kläger erfolgte eigenverantwortlich. Außerdem hatte der Kläger Weisungsbefugnis gegenüber dem Hof- und Verladepersonal. Sein Gehalt betrug ca. 2.100 EUR brutto monatlich ohne Zulagen.
Mit Schreiben vom 23.5.2013 und vom 30.5.2013 gab die Beklagte ein bis zum 31.12.2012 befristetes Anerkenntnis ab und lehnte die Fortleistung der Versicherungsbeträge über den 31.12.2012 hinaus ab unter Verweisung auf die neue Arbeitstätigkeit des Klägers als Ausgangsexpedient. Für den anerkannten Zeitraum bis einschließlich Dezember 2012 erbrachte sie entsprechende Leistungen aus der zwischen den Parteien geschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung.
Mit Schreiben vom 3.7.2013 forderte der Kläger die Beklagte zur Fortleistung der Berufsunfähigkeitsrente auf. Er hat erstinstanzlich behauptet, er sei infolge seiner Erkrankung dauerhaft nicht mehr in der Lage, seine Position als stellvertretender Werkstattleiter bei der E auszuüben. Seine Tätigkeit als Expedient sei mit der vorangegangenen Tätigkeit als Werkstattleiter nicht vergleichbar.
Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen an ihn 12.596,40 EUR nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.8.2013 zu zahlen, sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, wegen der eingetretenen Berufsunfähigkeit bedingungsgemäße Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung ab dem 1.1.2013 bis längstens zum 31.10.2025 zu erbringen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung der Zeugen C und B sowie nach Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des berufskundlichen Beraters L vom 15.4.2015 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob der Kläger dauerhaft im Sinne der vereinbarten Versicherungsbedingungen berufsunfähig sei. Jedenfalls habe die Beklagte ein wirksames zeitlich befristetes Anerkenntnis abgegeben und die Fortzahlung der Berufsunfähigkeitsrente über den 31.12.2012 hinaus aufgrund der vom Kläger ausgeübten, mit seiner vorangegangenen Arbeitstätigkeit gleichwertigen Tätigkeit als Expedient abgelehnt. Zur Beurteilung der Gleichwertigkeit der unterschiedlichen Arbeitstätigkeiten vor und nach Beginn der Erkrankung hat es sich auf die Ausführungen des Sachverständigen L in seinem schriftlichen Gutachten gestützt.
Hinsichtlich des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls vom 16.10.2014 und auf das als Anlage zur Akte genommene schriftliche Sachverständigengutachten des Dipl.-Volkswirts L vom 15.4.2015 verwiesen.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er ist der Ansicht, das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass es sich bei seiner Tätigkeit als Expedient lediglich um eine angelernte Tätigkeit ohne abgeschlossene Ausbildung gehandelt habe. Die unterschiedliche Qualifikation für seine Tätigkeiten als stellvertretender Werkstattleiter und als Expedient führe zu einer unterschiedlichen Wertschätzung in der Öffentlichkeit, wobei hinzukomme, dass aufgrund des Wechsels der Arbeitsstelle seine Weisungsbefugnis gegenüber ihm unterstellten Mitarbeitern weggefallen sei. Darüber hinaus behauptet er, seine Arbeitsstelle als Expedient sei zwischenzeitlich durch Kündigung im Juni 2015 weggefallen. Als Expedient sei er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt deutlich weniger nachgefragt als in seiner Funktion als Energieanlagenelektroniker, wodurch ihm erheblich geringere Berufschancen erwachsen würden. Außerdem sei er als Expedient ohne abgeschlossene kaufmännische Ausbildung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar.
Der Kläger beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und nach seinem in der 1. Instanz gestellten Antrag zu entscheiden, mit der Maßgabe, dass sich der Feststellungsantrag lediglich auf den Zeitraum vom 1.1.2014 bis zum 31.10.2025 beziehen soll.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung. Sie ist der Ansicht, der Beklagte habe das Risiko eines nicht gesundheitsbedingten Arbeitsplatzverlustes – sofern ein solcher überhaupt stattgefunden habe – selbst zu tragen. Außerdem sei es dem Kläger unbenommen, sich weiterhin als Energieanlagenelektroniker zu bewerben.
Der Senat hat den Kläger angehört. Außerdem hat er den Sachverständigen L im Termin vom 6.6.2016 ergänzend zu seinem schriftlichen Gutachten angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks vom 6.6.2016 verwiesen. Hinsichtlich des weiteren Parteivortrages wird auf die in der zweiten Instanz gewechselten Schriftsätze der Anwälte und deren Inhalt Bezug genommen.
B. Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag über den 31.12.2012 hinaus zu.
1) Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Beklagte ein wirksames – auf § 5 II BB-BUZ gestütztes – befristetes Anerkenntnis unter Verweis auf die vom Kläger konkret ausgeübte Tätigkeit als Expedient ausgesprochen hat, womit es ihre Leistungspflicht auf den 31.12.2012 beschränkt hat. Diese Feststellungen werden vom Kläger mit der Berufung nicht angegriffen.
2) Voraussetzung für die bedingungsgemäße Gewährung von Versicherungsleistungen über den 31.12.2012 hinaus ist gem. § 2 I BB-BUZ daher, dass der Kläger infolge Krankheit nicht nur seinen bisherigen Beruf als stellvertretender Werkstattleiter nicht mehr ausüben kann, sondern dass er außerstande ist, auch eine andere Tätigkeit auszuüben, die er aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausüben kann und die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Daran fehlt es, denn der Kläger ist aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten jedenfalls in der Lage die nach seiner Erkrankung tatsächlich aufgenommene Tätigkeit als Expedient auszuüben. Diese Tätigkeit entspricht auch seiner bisherigen Lebensstellung.
a) Soweit der Kläger meint, dass eine Verweisung auf seine nach Beginn der Erkrankung ausgeübte Tätigkeit als Expedient ausscheide, weil sie nicht seinen bisherigen Kenntnissen und Fähigkeiten entspreche, kann dem nicht gefolgt werden, denn der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis für die behauptete fehlende Gleichwertigkeit der Tätigkeit als stellvertretender Werkstattleiter mit derjenigen des Expedienten nicht erbracht. Zur Überzeugung des Senats steht – im Gegenteil – fest, dass die beiden vom Kläger vor und nach Beginn seiner Erkrankung ausgeübten Tätigkeiten gleichwertig sind.
Übt der Versicherungsnehmer die Tätigkeit, auf die der Versicherer ihn verweisen will, jedoch tatsächlich aus (sog. konkrete Verweisung), obliegt es dem Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzungen für eine Verweisung nicht vorliegen, weil es an der Gleichwertigkeit des neuen Arbeitsplatzes fehlt, denn die tatsächliche Ausübung eines neuen Berufs indiziert grundsätzlich die Wahrung der bisherigen Lebensstellung (vgl. BGH VersR 1995, 159; VersR 1999, 1134; VersR 2010, 1023, 1024 f.; OLG Düsseldorf r+s 2011, 524 f.; Prölss/Martin-Lücke, Versicherungsvertragsgesetz, 29. Aufl., § 172 VVG, Rn. 115, § 2 BU, Rn. 93 m. w. N.). Voraussetzung dafür ist lediglich, dass er die Tätigkeit, auf die er konkret verwiesen werden soll, eine gewisse Dauer ausübt, die geeignet erscheint, seine Lebensstellung zu wahren und sich für ihn als prägend darstellt. Ob hierfür die Ausübung einer Tätigkeit über einen Zeitraum von 6 Monaten als ausreichend angesehen werden kann (so: Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 3. Aufl., Kap. H VI 164, 169 m. w. N.) kann dahingestellt bleiben. Denn daran, dass sich die zuletzt ausgeübte Tätigkeit des Klägers als Expedient, auf die er verwiesen werden soll, als prägend darstellt, bestehen schon deswegen keine Zweifel, weil der Kläger diese – nach seinem eigenen Sachvortrag – über einen Zeitraum von mindestens 2 ½ Jahren tatsächlich ausgeübt hat.
Im Übrigen wird – zur Vermeidung von Wiederholungen – hinsichtlich der Feststellungen zur Gleichwertigkeit der Berufe als stellvertretender Werkstattleiter und als Ausgangsexpedient auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Die dagegen von der Beklagten vorgebrachten Einwendungen und Argumente führen zu keinem anderen Ergebnis.
aa) Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass seine bisherige Lebensstellung durch die zuletzt – vor Beginn der Erkrankung – ausgeübte Tätigkeit als stellvertretender Werkstattleiter geprägt worden ist. Deswegen scheiden als Verweisungsberufe alle Tätigkeiten aus, deren Ausübung deutlich geringere Erfahrungen und Fähigkeiten erfordern als der bisherige Beruf (vgl. OLG Düsseldorf r+s 2011, 524 f.). Dabei geht es auch um die Frage der Wertschätzung der Berufstätigkeit in der Öffentlichkeit, die durch die Art und Dauer der Ausbildung mitbestimmt wird (vgl. Neuhaus, a. a. O., Kap. H IV Rn. 92 ff., 97 m. w. N.). Andererseits ist die Verweisung auf eine bestimmte Tätigkeit, die auch ohne Ausbildung ausgeübt werden kann nicht bereits deswegen ausgeschlossen, weil es sich dabei nicht um einen Ausbildungsberuf handelt. Insoweit kommt es vielmehr auf für die Verweisungstätigkeit erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten an, sowie darauf, dass die neue Tätigkeit in ihrer Vergütung und ihrer sozialen Wertschätzung nicht deutlich unter das Niveau der zuvor ausgeübten Tätigkeit absinkt (vgl. BGH VersR 2010, a. a. O.). Unter diesen Voraussetzungen kann von einer fehlenden Gleichwertigkeit der vom Kläger vor und nach Beginn seiner Erkrankung ausgeübten Berufe nicht ausgegangen werden.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich sowohl bei der Tätigkeit des Klägers als stellvertretender Werkstattleiter als auch bei seiner Tätigkeit als Expedient um Ausbildungsberufe handelt, für die der Kläger jeweils eine zweckentsprechende Ausbildung mitgebracht hat. Beide Tätigkeiten setzten als Eingangsvoraussetzung eine bestimmte Ausbildung voraus, wobei die für den Beruf als Expedient erforderliche kaufmännische Ausbildung in ihrer Ausgestaltung nach den Vorgaben der Industrie- und Handelskammer – wie der Sachverständige L im Senatstermin vom 6.6.2016 nachvollziehbar erläutert hat – durch eine gleichwertige beim Kläger tatsächlich vorhandene andere Ausbildung zum Energieelektroniker in Verbindung mit beruflicher Erfahrung im Bereich Lager und Logistik, ersetzt worden ist. An den vom Sachverständigen dargestellten unterschiedlichen Zugangsvoraussetzungen für die Tätigkeit als Ausgangsexpedient zeigt sich, dass eine berufliche Ausbildung und berufliche Erfahrungen in den dargestellten Grenzen als gleichwertig anzusehen sind und dass der Kläger die Einstellungsvoraussetzungen für seine Anschlusstätigkeit als Expedient – gerade auch wegen seiner mitgebrachten abgeschlossenen Ausbildung – ohne Zweifel erfüllte.
Hinzu kommt, dass der Kläger sowohl in seinem Beruf als stellvertretender Werkstattleiter, als auch in dem Beruf als Expedient – wenn überhaupt – nur eingeschränkt in der Ausübung seiner aufgrund seiner Ausbildung als Energieelektroniker gewonnenen Fähigkeiten und Kenntnisse tätig geworden ist. Er hat als stellvertretender Werkstattleiter – wie sich aus dem von ihm selbst dargestellten Anforderungsprofil ergibt – im Wesentlichen Wartungs- und Kontrollaufgaben wahrgenommen, die nicht den üblichen Aufgaben eines ausgebildeten Energieelektronikers entsprechen, sondern für die ihn auch eine Ausbildung in jedem anderen elektrotechnischen Beruf hätte qualifizieren können. Nach den Bekundungen des ehemaligen Werkstattleiters, des Zeugen C, in seiner Vernehmung durch das Landgericht war er neben der Wartung der Anlagen und der Kontrolle der Reparaturen durch die Fremdfirmen im Rahmen der von ihm selbst durchzuführenden Reparaturen z. B. für die Erneuerung des Rammschutzes an den Regalen oder die die Instandsetzung defekter Beleuchtungseinheiten oder elektrischer Sicherungen zuständig. Hinzu kommt, dass sich der Kläger – wie der Sachverständige im Senatstermin vom 6.6.2016 nachvollziehbar dargestellt hat – im Rahmen seiner beruflichen Laufbahn durch seine langjährigen Tätigkeiten im EDV-Service Center und als Wachmann immer weiter inhaltlich von seinem Ausbildungsberuf entfernt hat. Das hat zur Folge, dass seine Lebensstellung im Zeitpunkt des streitgegenständlichen Berufswechsels weniger durch seine ursprünglich absolvierte Ausbildung, sondern vielmehr durch seine im Beruf erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse bestimmt worden ist.
Letztlich darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger durch seinen Wechsel vom stellvertretenden Werkstattleiter zum Expedienten von seiner Stellung als Arbeiter zum Angestellten aufgestiegen ist, womit – nach den nachvollziehbaren Feststellungen des Sachverständigen in seinem Ausgangsgutachten vom 15.4.2015 – ein höheres Maß an sozialer Wertschätzung in der Öffentlichkeit verbunden war.
bb) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Wechsel der Arbeitsstelle vom stellvertretenden Werkstattleiter zum Expedienten mit einem spürbaren Verlust an Entscheidungskompetenz verbunden war, die geeignet ist sich auf die Wertschätzung des Klägers in der Öffentlichkeit auszuwirken. Beide Berufe sind auch insoweit – wie der Sachverständige nachvollziehbar festgestellt hat – miteinander vergleichbar. Gegen einen Verlust von Weisungsbefugnissen spricht, dass der Kläger nach seinem Wechsel nicht nur einer beschränkten Zahl von Mitarbeitern gegenüber, sondern gegenüber dem gesamten Hof- und Verladepersonal weisungsbefugt war. Alleine der Umstand, dass neben ihm auch eine Vielzahl anderer bei seinem Arbeitgeber tätiger Expedienten entsprechende Befugnisse hatten, während er sich als stellvertretender Werkstattleiter die vorhandene Weisungsbefugnis lediglich mit dem Werkstattleiter selbst teilen musste, erscheint dagegen nicht geeignet, sein soziales Ansehen als Expedient in der Öffentlichkeit abzuwerten. Denn alleine die Größe der Arbeitseinheit in welcher ein Arbeitnehmer tätig ist, sagt in der Regel nichts über die Qualität seiner Arbeitstätigkeit im Verhältnis zu den übrigen im selben Unternehmen tätigen Mitarbeitern aus. Dem entsprechend würde auch niemand auf den Gedanken kommen, dass z. B. der Hausmeister in einem größeren Betrieb in seinem sozialen Ansehen höher zu bewerten ist, als die Vielzahl der im selben Betrieb vergleichbare Tätigkeiten verrichtenden Angestellten.
cc) Hinsichtlich der wirtschaftlichen Gleichwertigkeit der beiden Berufe als stellvertretender Werkstattleiter und als Expedient wird auf die – insoweit nicht angegriffenen – Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Das Landgericht hat – gestützt auf die Ausführungen im Ausgangsgutachten des Sachverständigen L vom 15.4.2015 – nachvollziehbar festgestellt, dass die vom Kläger erzielten Einkünfte in beiden Berufen miteinander vergleichbar sind. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger in seiner Position als stellvertretender Werkstattleiter eine bessere Aussicht auf einen beruflichen Aufstieg und damit verbundenen Gehaltssteigerungen gehabt hätte, als im Rahmen seiner Tätigkeit als Expedient, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
b) Soweit der Kläger meint, eine Verweisung auf den Beruf als Expedienten scheide auch deswegen aus, weil seine Arbeitsstelle infolge Kündigung im Juni 2015 weggefallen sei und er als Expedient erheblich schlechtere Aussichten auf den Erhalt einer neuen Arbeitsstelle auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt habe, kann dies bei der Frage, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung zu erbringen keine Berücksichtigung finden.
Mit der zwischen den Parteien geschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung sind nur krankheitsbedingte Einschränkungen der Berufsfähigkeit des Klägers i. S. d. § 2 BB-BUZ versichert. Dass er seine Arbeitsstelle als Expedient aus gesundheitlichen Gründen verloren hat, behauptet der Kläger nicht.
Das allgemeine Risiko, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, ist in der zwischen den Parteien abgeschlossenen Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht mitversichert. Deswegen müssen auch die allgemeine Lage auf dem Arbeitsmarkt und die sich darauf gründende Chance auf den Erhalt einer neuen Arbeitsstelle bei einem anderen Arbeitgeber bei der Frage, ob eine gleichwertige Verweisungstätigkeit vorliegt, unberücksichtigt bleiben (vgl. Prölss/Martin-Lücke, a. a. O., § 172, Rn. 105; Neuhaus, a. a. O., Kap. H II Rn. 12 m. w. N.). Es kommt für die Frage der Gleichwertigkeit im Rahmen der konkreten Verweisung auf einen tatsächlich ausgeübten Beruf – anders als im Falle der abstrakten Verweisung auf eine lediglich angesonnene Tätigkeit (vgl. BGH VersR 1999, 1134) – auch nicht darauf an, ob die berufliche Tätigkeit, auf die verwiesen werden soll, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt überhaupt angeboten wird, denn allein die tatsächliche Ausübung der Verweisungstätigkeit über einen die Lebensstellung des Versicherungsnehmers prägenden Zeitraum führt dazu, dass der bedingungsgemäße Versicherungsfall nicht eingetreten ist (vgl. OLG Frankfurt VersR 2007, 1358; Prölss/Martin-Lücke, a. a. O., § 172 Rn. 107, 109 m. w. N.).
VI) Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 97 I ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.