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Berufsunfähigkeitsversicherung –  Verweisung auf befristeten Arbeitsplatz unzulässig

Ein ehemaliger Berufssoldat, der aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung berufsunfähig geworden war, kämpfte erfolgreich gegen die Einstellung seiner Berufsunfähigkeitsrente. Obwohl er eine befristete Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter angenommen hatte, urteilte das Gericht, dass diese Tätigkeit nicht mit seiner früheren Lebensstellung vergleichbar sei und die Versicherung weiterhin leisten müsse.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Der Kläger ist als berufsunfähig anerkannt und fordert zusätzliche Leistungen von seiner Versicherungsgegesellschaft.
  • Die Beklagte hat die Zahlungen aufgrund der Verweisung des Klägers auf eine befristete Tätigkeit eingestellt.
  • Das Gericht hat entschieden, dass die befristete Anstellung nicht der Lebensstellung des Klägers als Berufssoldat entspricht.
  • Der Grundsatz von Treu und Glauben lässt eine Berücksichtigung neu erworbener Kenntnisse nur zu, wenn diese in einer Festanstellung münden.
  • Der Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit bleibt entscheidend für die Bewertung des Anspruchs.
  • Die Beklagte konnte nicht nachweisen, dass die neue befristete Tätigkeit die bisherigen Lebensverhältnisse des Klägers adäquat abbildet.
  • Ein bloßer Vergleich der Einkommensverhältnisse reicht nicht aus, um eine gleichwertige Lebensstellung zu belegen.
  • Die vorliegende Entscheidung stärkt den Anspruch von Versicherungsnehmern auf Leistungen bei Berufsunfähigkeit.
  • Die Richtlinien zur Verweisung auf andere Jobs müssen die tatsächlichen Lebensverhältnisse berücksichtigen.
  • Betroffene sollten sich über ihre Rechte im Klaren sein, um ihre Ansprüche gegenüber der Versicherung durchzusetzen.

Urteil zur Berufsunfähigkeitsversicherung: Verweisung auf alternative Jobs rechtlich geprüft

Berufsunfähigkeitsversicherungen sind wichtige Verträge, die Menschen finanzielle Sicherheit bieten sollen, wenn sie aufgrund von Krankheit oder Unfall nicht mehr arbeiten können. Die Ansprüche aus solchen Versicherungen sind jedoch oft komplex und unterliegen strengen rechtlichen Rahmenbedingungen. Eine zentrale Frage, die häufig in diesem Zusammenhang auftritt, betrifft die Verweisung auf andere, gegebenenfalls befristete Arbeitsplätze. Oftmals versuchen Versicherer, Versicherte auf alternative Tätigkeiten zu verweisen, um die Zahlung von Leistungen zu vermeiden. Dies wirft jedoch erhebliche rechtliche Fragen auf.

Aus rechtlicher Sicht stellt sich die Herausforderung, ob eine Verweisung auf einen bestimmten Arbeitsplatz rechtlich zulässig ist, insbesondere wenn es sich um einen befristeten Job handelt. Hierbei sind sowohl die Vertragsbedingungen der Versicherung als auch das individuelle Krankheitsbild des Versicherten von Bedeutung. Ein irreführendes oder falsches Verständnis dieser Aspekte kann nicht nur zu finanziellen Problemen führen, sondern auch die psychische Belastung der Betroffenen erhöhen.

Im Folgenden wird ein konkreter Fall näher beleuchtet, der sich mit der Zulässigkeit solcher Verweisungen beschäftigt. Dieses Urteil wirft Licht auf die rechtlichen Vorgaben und Entwicklungen in der Rechtsprechung zu diesem wichtigen Thema.

Berufsunfähigkeit und Verweisung auf befristete Stellen: Wir helfen Ihnen, Ihre Rechte durchzusetzen.

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Der Fall vor Gericht


Berufsunfähigkeitsversicherung: Kein Leistungsstopp bei befristeter Tätigkeit

Im Mittelpunkt eines kürzlich entschiedenen Falls stand ein ehemaliger Berufssoldat, der aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung als berufsunfähig anerkannt worden war. Seit 2005 bezog er Leistungen aus seiner Berufsunfähigkeitsversicherung. Nach Abschluss eines Germanistikstudiums nahm er 2013 eine auf zwei Jahre befristete Halbzeitstelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Fachhochschule an. Daraufhin stellte die Versicherung ihre Zahlungen ein, was zu einem Rechtsstreit führte.

Versicherung argumentiert mit Verweisung auf neue Tätigkeit

Die Versicherungsgesellschaft vertrat die Ansicht, dass sie aufgrund der neu aufgenommenen Tätigkeit des Versicherten berechtigt sei, die Leistungen einzustellen. Sie argumentierte, dass die Befristung der Stelle kein Hindernis für eine Verweisung darstelle, da das Arbeitsmarktrisiko nicht versichert sei. Zudem sei es zulässig, auch nach Eintritt der Berufsunfähigkeit erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Beurteilung zu berücksichtigen.

Gericht: Befristete Stelle entspricht nicht der Lebensstellung

Das Oberlandesgericht Hamm wies die Berufung der Versicherung zurück und gab dem Kläger Recht. Die Richter betonten, dass die befristete Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter nicht der bisherigen Lebensstellung des Klägers als Berufssoldat entspreche. Sie stellten klar, dass für die Zulässigkeit einer Verweisung nicht allein das erzielte Einkommen maßgeblich sei, sondern auch das gesellschaftliche Ansehen der Tätigkeit und die konkreten Bedingungen der Berufsausübung berücksichtigt werden müssten.

Vergleichbarkeit der Tätigkeiten verneint

Das Gericht führte aus, dass die Tätigkeit eines wissenschaftlichen Mitarbeiters typischerweise nur vorübergehend ausgeübt werde und nicht auf eine Festanstellung ausgerichtet sei. Dies stehe im Gegensatz zur Stellung eines Berufssoldaten. Zudem biete die Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter kaum Raum für selbständige und eigenverantwortliche Arbeit, was ebenfalls nicht mit der früheren Position des Klägers vergleichbar sei.

Bedeutung für Versicherte

Die Entscheidung verdeutlicht, dass Berufsunfähigkeitsversicherungen nicht ohne Weiteres ihre Leistungen einstellen können, wenn der Versicherte eine neue Tätigkeit aufnimmt. Das Gericht stellte klar, dass eine befristete Anstellung, insbesondere wenn sie nur Hilfstätigkeiten umfasst, nicht automatisch als gleichwertig zur früheren Beschäftigung angesehen werden kann. Dies stärkt die Position von Versicherten, die trotz gesundheitlicher Einschränkungen versuchen, im Berufsleben wieder Fuß zu fassen.

Die Schlüsselerkenntnisse


Die Entscheidung stärkt den Schutz von Berufsunfähigkeitsversicherten erheblich. Eine befristete Tätigkeit, die nicht der bisherigen Lebensstellung entspricht, rechtfertigt keinen Leistungsstopp. Für die Verweisbarkeit sind neben dem Einkommen auch das gesellschaftliche Ansehen und die Arbeitsbedingungen entscheidend. Dies schützt Versicherte, die trotz gesundheitlicher Einschränkungen versuchen, beruflich wieder Fuß zu fassen, vor vorschnellen Leistungseinstellungen durch Versicherungen.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie aufgrund von Krankheit oder Unfall berufsunfähig geworden sind und Leistungen aus Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung beziehen, stärkt dieses Urteil Ihre Position erheblich. Selbst wenn Sie eine neue, befristete Tätigkeit aufnehmen, kann die Versicherung ihre Zahlungen nicht ohne Weiteres einstellen. Entscheidend ist, ob die neue Stelle Ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht – und zwar nicht nur hinsichtlich des Einkommens, sondern auch bezüglich des gesellschaftlichen Ansehens und der Arbeitsbedingungen. Besonders bei befristeten Stellen oder Hilfstätigkeiten haben Sie gute Chancen, weiterhin Leistungen zu erhalten. Das Urteil ermutigt Sie, trotz gesundheitlicher Einschränkungen berufliche Schritte zu wagen, ohne den Versicherungsschutz zu gefährden.


FAQ – Häufige Fragen

Sie überlegen, ob eine Berufsunfähigkeitsversicherung sinnvoll für Sie ist? Oder Sie sind bereits versichert und fragen sich, welche Leistungen Ihnen im Ernstfall zustehen? Dann sind Sie hier genau richtig! Unsere FAQ-Rubrik beantwortet Ihnen alle wichtigen Fragen rund um die Berufsunfähigkeitsversicherung und Verweisung. Wir erklären Ihnen verständlich und kompakt, worauf es bei der Wahl des richtigen Versicherungsschutzes ankommt und welche Fallstricke es zu beachten gilt.


Welche rechtlichen Möglichkeiten habe ich, um gegen eine unzulässige Verweisung meiner Berufsunfähigkeitsversicherung vorzugehen?

Bei einer unzulässigen Verweisung durch die Berufsunfähigkeitsversicherung stehen Versicherten mehrere rechtliche Optionen zur Verfügung:

Zunächst empfiehlt sich eine schriftliche Beschwerde direkt beim Versicherungsunternehmen. Darin sollten die Gründe für die Unzulässigkeit der Verweisung detailliert dargelegt werden. Wichtig ist hierbei, alle relevanten Unterlagen beizufügen und eine angemessene Frist zur Stellungnahme zu setzen.

Führt dies nicht zum gewünschten Ergebnis, kann der Versicherungsombudsmann eingeschaltet werden. Dieses kostenlose und unverbindliche Schlichtungsverfahren bietet eine neutrale Überprüfung des Falls. Der Ombudsmann kann bei Streitwerten bis 10.000 Euro für den Versicherer verbindliche Entscheidungen treffen. Seine Empfehlungen haben jedoch oft auch bei höheren Streitwerten Gewicht.

Eine weitere Option ist die Einschaltung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die BaFin kann zwar keine Einzelfallentscheidungen treffen, übt aber eine wichtige Kontrollfunktion aus und kann bei systematischen Problemen eingreifen.

Sollten diese außergerichtlichen Wege nicht zum Ziel führen, bleibt der Rechtsweg offen. Eine Klage vor dem zuständigen Zivilgericht ist möglich, wobei die Erfolgsaussichten im Vorfeld sorgfältig geprüft werden sollten. Hierbei ist zu beachten, dass Gerichte bei der Beurteilung von Verweisungen strenge Maßstäbe anlegen. So wird beispielsweise eine Verweisung auf einen befristeten Arbeitsplatz in der Regel als unzulässig angesehen, da sie keine dauerhafte berufliche Perspektive bietet.

Im gerichtlichen Verfahren ist die Beweislast zu beachten: Der Versicherte muss zunächst seine Berufsunfähigkeit nachweisen. Gelingt dies, muss der Versicherer die Rechtmäßigkeit der Verweisung belegen. Dabei muss er konkret darlegen, welche Tätigkeit zumutbar ist und dass diese den Kenntnissen, Fähigkeiten und der bisherigen Lebensstellung des Versicherten entspricht.

Ein wichtiger Aspekt bei der rechtlichen Auseinandersetzung ist die Unterscheidung zwischen abstrakter und konkreter Verweisung. Bei der abstrakten Verweisung prüft der Versicherer lediglich theoretisch, ob der Versicherte noch einen anderen Beruf ausüben könnte. Die konkrete Verweisung bezieht sich hingegen auf eine tatsächlich ausgeübte andere Tätigkeit. Viele moderne Versicherungsbedingungen verzichten auf die abstrakte Verweisung, was die Position des Versicherten stärkt.

Bei der gerichtlichen Auseinandersetzung sollten Versicherte auch prüfen, ob die Versicherungsbedingungen möglicherweise unwirksame Klauseln enthalten. Solche Klauseln können von Gerichten für nichtig erklärt werden, was die Rechtsposition des Versicherten verbessern kann.

Während des gesamten Prozesses ist es ratsam, alle Kommunikation schriftlich zu führen und sorgfältig zu dokumentieren. Dies kann in einem möglichen Gerichtsverfahren von entscheidender Bedeutung sein.

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Kann eine befristete Anstellung als gleichwertige Tätigkeit zur bisherigen Beschäftigung angesehen werden?

Eine befristete Anstellung wird in der Regel nicht als gleichwertige Tätigkeit zur bisherigen unbefristeten Beschäftigung angesehen. Der Hauptgrund dafür liegt in der fehlenden dauerhaften Sicherheit und Planbarkeit, die eine befristete Stelle im Vergleich zu einer unbefristeten Position bietet.

Bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Neben der Vergütung und dem Tätigkeitsfeld ist insbesondere die Dauerhaftigkeit der Beschäftigung von entscheidender Bedeutung. Eine unbefristete Anstellung bietet dem Arbeitnehmer eine langfristige berufliche Perspektive und finanzielle Sicherheit. Im Gegensatz dazu ist eine befristete Stelle von vornherein zeitlich begrenzt, was zu erheblicher Unsicherheit bezüglich der beruflichen Zukunft führt.

Die fehlende Planungssicherheit bei befristeten Arbeitsverhältnissen wirkt sich auch auf andere Lebensbereiche aus. So haben Arbeitnehmer mit befristeten Verträgen oft Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche oder der Aufnahme von Krediten. Auch die private Lebensplanung wird durch die Unsicherheit einer befristeten Anstellung erheblich erschwert.

Aus rechtlicher Sicht wird die mangelnde Gleichwertigkeit befristeter Stellen in verschiedenen Kontexten berücksichtigt. So gelten beispielsweise im Bereich der Berufsunfähigkeitsversicherungen Verweisungen auf befristete Arbeitsplätze in der Regel als unzulässig. Die Rechtsprechung begründet dies damit, dass eine nur vorübergehende Beschäftigungsmöglichkeit nicht ausreicht, um den Versicherungsschutz bei Berufsunfähigkeit entfallen zu lassen.

Auch im Arbeitsrecht wird die Ungleichheit zwischen befristeten und unbefristeten Arbeitsverhältnissen anerkannt. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) sieht besondere Schutzvorschriften für befristet Beschäftigte vor, um Benachteiligungen auszugleichen. So haben befristet Beschäftigte beispielsweise einen Anspruch auf gleichberechtigten Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen.

In bestimmten Fällen kann eine befristete Anstellung dennoch als annähernd gleichwertig betrachtet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Befristung mit einer realistischen Aussicht auf Entfristung verbunden ist oder wenn in der jeweiligen Branche befristete Beschäftigungsverhältnisse üblich sind, wie etwa im Bereich der Wissenschaft oder bei Projektarbeit.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine befristete Anstellung aufgrund der fehlenden langfristigen Sicherheit und Planbarkeit in den meisten Fällen nicht als gleichwertige Tätigkeit zur bisherigen unbefristeten Beschäftigung angesehen werden kann. Diese rechtliche Einschätzung findet in verschiedenen Rechtsgebieten Berücksichtigung und dient dem Schutz von Arbeitnehmern vor unzumutbaren Verweisungen auf unsichere Beschäftigungsverhältnisse.

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Was sollte ich tun, wenn meine Berufsunfähigkeitsversicherung die Leistungen verweigert?

Bei einer Ablehnung der Leistungen durch die Berufsunfähigkeitsversicherung ist es wichtig, nicht vorschnell aufzugeben. Als erster Schritt sollten Versicherte die Ablehnungsgründe der Versicherung genau prüfen und hinterfragen. Oftmals basieren Ablehnungen auf unvollständigen Informationen oder Missverständnissen.

Eine schriftliche Stellungnahme zu den Ablehnungsgründen kann helfen, die eigene Position zu verdeutlichen. Dabei ist es ratsam, zusätzliche medizinische Unterlagen oder Gutachten beizufügen, die den Grad der Berufsunfähigkeit belegen. Besonders wichtig ist eine detaillierte Darstellung der konkreten beruflichen Einschränkungen.

Parallel dazu empfiehlt sich die Einholung einer unabhängigen medizinischen Zweitmeinung. Ein neutraler Facharzt kann möglicherweise Aspekte aufzeigen, die im bisherigen Verfahren nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Diese zusätzliche Expertise kann die Argumentation gegenüber der Versicherung stärken.

Ein formeller Widerspruch gegen die Entscheidung der Versicherung sollte innerhalb der angegebenen Frist eingelegt werden. Hierbei ist Sorgfalt geboten: Der Widerspruch muss alle relevanten Argumente und Nachweise enthalten. Eine präzise und faktenbasierte Darlegung erhöht die Chancen auf eine Neubewertung des Falls.

Sollte die Versicherung trotz Widerspruch bei ihrer Ablehnung bleiben, kann die Einschaltung eines auf Versicherungsrecht spezialisierten Anwalts sinnvoll sein. Juristische Expertise hilft, die Erfolgsaussichten eines möglichen Rechtsstreits realistisch einzuschätzen und weitere Schritte strategisch zu planen.

In manchen Fällen bietet sich auch eine außergerichtliche Streitschlichtung an. Viele Versicherungen sind Mitglied im Versicherungsombudsmann e.V., der als neutrale Schlichtungsstelle fungiert. Dieses Verfahren ist für Versicherte kostenfrei und kann eine schnellere Lösung herbeiführen als ein Gerichtsverfahren.

Es ist zu beachten, dass Versicherungen bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit strenge Maßstäbe anlegen. Eine Berufsunfähigkeit liegt in der Regel erst vor, wenn der Versicherte seinen zuletzt ausgeübten Beruf zu mindestens 50% nicht mehr ausüben kann. Die bloße Unfähigkeit, an einem bestimmten Arbeitsplatz zu arbeiten, reicht meist nicht aus. Vielmehr wird geprüft, ob der Versicherte noch in der Lage ist, seine berufstypischen Kernaufgaben zu erfüllen.

Während des gesamten Prozesses ist es wichtig, alle Kommunikation mit der Versicherung schriftlich zu führen und sorgfältig zu dokumentieren. Dies schafft Klarheit und kann im Falle eines späteren Rechtsstreits von Bedeutung sein.

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Welche Rolle spielt das gesellschaftliche Ansehen der neuen Tätigkeit bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit?

Das gesellschaftliche Ansehen der neuen Tätigkeit spielt eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Berufsunfähigkeit im Rahmen der konkreten Verweisung. Es ist ein wesentlicher Faktor neben dem Einkommen, um die Zumutbarkeit einer neuen Tätigkeit zu bewerten. Die Versicherungsbedingungen sehen in der Regel vor, dass die neue Tätigkeit der „bisherigen Lebensstellung“ des Versicherten entsprechen muss.

Die bisherige Lebensstellung umfasst dabei nicht nur die finanzielle Situation, sondern auch die soziale Wertschätzung des Berufs. Eine neue Tätigkeit muss in Bezug auf das gesellschaftliche Ansehen mit dem bisherigen Beruf vergleichbar sein. Dies bedeutet, dass der soziale Status und die Anerkennung, die mit der neuen Position einhergehen, nicht wesentlich geringer sein dürfen als bei der vorherigen Tätigkeit.

Für die Beurteilung des gesellschaftlichen Ansehens werden verschiedene Aspekte berücksichtigt. Dazu gehören insbesondere die erforderliche Ausbildung, die Art der Tätigkeit und die Verantwortung, die mit der Position verbunden ist. Ein Akademiker kann beispielsweise in der Regel nicht auf eine Tätigkeit verwiesen werden, die keinen akademischen Abschluss erfordert, selbst wenn das Einkommen vergleichbar wäre. Ebenso wäre es problematisch, eine Führungskraft auf eine Position ohne Personalverantwortung zu verweisen.

Die Rechtsprechung hat in mehreren Fällen die Bedeutung des gesellschaftlichen Ansehens betont. So wurde entschieden, dass die Verweisung eines Konstruktionsmechanikers auf eine Tätigkeit als Fahrer und Messgehilfe unzulässig war, obwohl das Einkommen sogar höher lag. Das Gericht begründete dies mit dem geringeren sozialen Ansehen der neuen Tätigkeit.

Bei der Beurteilung des gesellschaftlichen Ansehens wird auch die Branche berücksichtigt. Ein Wechsel in eine völlig andere Branche kann problematisch sein, wenn damit ein Verlust an Fachkompetenz und beruflichem Ansehen verbunden ist. Zudem spielen Faktoren wie die Arbeitsplatzsicherheit und die Entwicklungsmöglichkeiten eine Rolle. Eine befristete Stelle oder eine Position mit geringen Aufstiegschancen kann als nicht gleichwertig angesehen werden, selbst wenn das Einkommen stimmt.

Es ist wichtig zu betonen, dass die Beurteilung des gesellschaftlichen Ansehens stets im Einzelfall erfolgt. Dabei werden die individuellen Umstände des Versicherten, wie Alter, Ausbildung und bisheriger Karriereverlauf, berücksichtigt. Eine pauschale Bewertung ist nicht möglich, da die soziale Wertschätzung von Berufen sich im Laufe der Zeit ändern kann und auch regional unterschiedlich sein kann.

Versicherte sollten bei der Prüfung einer konkreten Verweisung durch die Versicherung kritisch hinterfragen, ob die neue Tätigkeit tatsächlich ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Dabei ist es ratsam, nicht nur auf das Einkommen zu achten, sondern auch das gesellschaftliche Ansehen der neuen Position genau zu betrachten. Im Zweifelsfall kann es sinnvoll sein, eine rechtliche Beurteilung einzuholen, um die eigenen Ansprüche zu wahren.

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Welche rechtlichen Möglichkeiten habe ich, um gegen eine unzulässige Verweisung meiner Berufsunfähigkeitsversicherung vorzugehen?

Bei einer unzulässigen Verweisung durch die Berufsunfähigkeitsversicherung stehen Versicherten mehrere rechtliche Optionen zur Verfügung:

Zunächst empfiehlt sich eine schriftliche Beschwerde direkt beim Versicherungsunternehmen. Darin sollten die Gründe für die Unzulässigkeit der Verweisung detailliert dargelegt werden. Wichtig ist hierbei, alle relevanten Unterlagen beizufügen und eine angemessene Frist zur Stellungnahme zu setzen.

Führt dies nicht zum gewünschten Ergebnis, kann der Versicherungsombudsmann eingeschaltet werden. Dieses kostenlose und unverbindliche Schlichtungsverfahren bietet eine neutrale Überprüfung des Falls. Der Ombudsmann kann bei Streitwerten bis 10.000 Euro für den Versicherer verbindliche Entscheidungen treffen. Seine Empfehlungen haben jedoch oft auch bei höheren Streitwerten Gewicht.

Eine weitere Option ist die Einschaltung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die BaFin kann zwar keine Einzelfallentscheidungen treffen, übt aber eine wichtige Kontrollfunktion aus und kann bei systematischen Problemen eingreifen.

Sollten diese außergerichtlichen Wege nicht zum Ziel führen, bleibt der Rechtsweg offen. Eine Klage vor dem zuständigen Zivilgericht ist möglich, wobei die Erfolgsaussichten im Vorfeld sorgfältig geprüft werden sollten. Hierbei ist zu beachten, dass Gerichte bei der Beurteilung von Verweisungen strenge Maßstäbe anlegen. So wird beispielsweise eine Verweisung auf einen befristeten Arbeitsplatz in der Regel als unzulässig angesehen, da sie keine dauerhafte berufliche Perspektive bietet.

Im gerichtlichen Verfahren ist die Beweislast zu beachten: Der Versicherte muss zunächst seine Berufsunfähigkeit nachweisen. Gelingt dies, muss der Versicherer die Rechtmäßigkeit der Verweisung belegen. Dabei muss er konkret darlegen, welche Tätigkeit zumutbar ist und dass diese den Kenntnissen, Fähigkeiten und der bisherigen Lebensstellung des Versicherten entspricht.

Ein wichtiger Aspekt bei der rechtlichen Auseinandersetzung ist die Unterscheidung zwischen abstrakter und konkreter Verweisung. Bei der abstrakten Verweisung prüft der Versicherer lediglich theoretisch, ob der Versicherte noch einen anderen Beruf ausüben könnte. Die konkrete Verweisung bezieht sich hingegen auf eine tatsächlich ausgeübte andere Tätigkeit. Viele moderne Versicherungsbedingungen verzichten auf die abstrakte Verweisung, was die Position des Versicherten stärkt.

Bei der gerichtlichen Auseinandersetzung sollten Versicherte auch prüfen, ob die Versicherungsbedingungen möglicherweise unwirksame Klauseln enthalten. Solche Klauseln können von Gerichten für nichtig erklärt werden, was die Rechtsposition des Versicherten verbessern kann.

Während des gesamten Prozesses ist es ratsam, alle Kommunikation schriftlich zu führen und sorgfältig zu dokumentieren. Dies kann in einem möglichen Gerichtsverfahren von entscheidender Bedeutung sein.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Berufsunfähigkeit: Eine Person gilt als berufsunfähig, wenn sie ihren zuletzt ausgeübten Beruf aufgrund von Krankheit, Körperverletzung oder altersbedingtem Kräfteverfall voraussichtlich dauerhaft nicht mehr ausüben kann. Dies ist ein zentraler Begriff im Versicherungsrecht, insbesondere bei Berufsunfähigkeitsversicherungen.
  • Berufsunfähigkeitsversicherung: Eine Versicherung, die bei Berufsunfähigkeit eine monatliche Rente zahlt, um den Lebensstandard des Versicherten abzusichern. Sie ist ein wichtiger Schutz für den Fall, dass man seinen Beruf nicht mehr ausüben kann.
  • Verweisung: Im Kontext der Berufsunfähigkeitsversicherung bedeutet Verweisung, dass der Versicherer den Versicherten auf eine andere Tätigkeit verweist, die dieser trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen noch ausüben kann. Gelingt die Verweisung, kann der Versicherer die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente einstellen oder kürzen.
  • Lebensstellung: Die Lebensstellung bezieht sich auf die soziale und berufliche Stellung einer Person. Sie umfasst nicht nur das Einkommen, sondern auch Faktoren wie das gesellschaftliche Ansehen des Berufs, die Verantwortung, die Arbeitsbedingungen und die Entwicklungsmöglichkeiten.
  • Arbeitsmarktrisiko: Das Risiko, aufgrund von Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt keine passende Stelle zu finden. Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung ist das Arbeitsmarktrisiko in der Regel nicht versichert. Das bedeutet, dass der Versicherer nicht für den Fall haftet, dass der Versicherte aufgrund von Arbeitslosigkeit keine neue Stelle findet.
  • Hilfstätigkeiten: Tätigkeiten, die in der Regel geringer qualifiziert sind und weniger Verantwortung erfordern als die ursprüngliche Tätigkeit des Versicherten. Im Kontext der Berufsunfähigkeitsversicherung können Hilfstätigkeiten relevant sein, wenn der Versicherer versucht, den Versicherten auf eine solche Tätigkeit zu verweisen.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 15 Abs. 1 EBP 801 (Eintritt der Berufsunfähigkeit): Dieser Paragraph definiert, wann eine Person als berufsunfähig gilt. Er besagt, dass eine Person berufsunfähig ist, wenn sie ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechendem Kräfteverfall ganz oder teilweise voraussichtlich auf Dauer nicht mehr ausüben kann. Im vorliegenden Fall wurde der Kläger aufgrund einer posttraumatischen Belastungsstörung als berufsunfähig anerkannt, was den Voraussetzungen dieses Paragraphen entspricht.
  • § 33 Abs. 1 EBP 801 (Nachprüfung der Berufsunfähigkeit): Dieser Paragraph erlaubt es dem Versicherer, die Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers nachzuprüfen und die Leistungen einzustellen, wenn die Voraussetzungen für die Berufsunfähigkeit nicht mehr vorliegen. Im konkreten Fall versuchte die Versicherung, ihre Leistungen einzustellen, da der Kläger eine neue Tätigkeit aufgenommen hatte. Das Gericht betonte jedoch, dass die neue Tätigkeit nicht der bisherigen Lebensstellung des Klägers entsprach und daher die Berufsunfähigkeit nicht weggefallen war.
  • § 33 Abs. 4 EBP 801 (Wegfall der Berufsunfähigkeit): Gemäß diesem Paragraphen entfällt die Berufsunfähigkeit, wenn der Versicherungsnehmer eine andere Tätigkeit ausübt, die er aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausüben kann und die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Im vorliegenden Fall argumentierte die Versicherung, dass der Kläger eine solche Tätigkeit ausübe. Das Gericht wies diese Argumentation jedoch zurück, da die neue Tätigkeit den Anforderungen des § 33 Abs. 4 EBP 801 nicht genügte.
  • § 242 BGB (Treu und Glauben): Dieser allgemeine Grundsatz des Zivilrechts verpflichtet die Vertragsparteien zu einem fairen und loyalen Verhalten. Im Versicherungsrecht bedeutet dies, dass der Versicherer seine Rechte nicht missbräuchlich ausüben darf. Im vorliegenden Fall stellte das Gericht fest, dass die Versicherung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen würde, wenn sie die Leistungen aufgrund einer befristeten Tätigkeit einstellen würde, die nicht der Lebensstellung des Klägers entspricht.
  • § 172 VVG (Verweisung auf andere Tätigkeit): Dieser Paragraph regelt die Voraussetzungen, unter denen ein Versicherer den Versicherungsnehmer auf eine andere Tätigkeit verweisen kann. Dazu gehört, dass die neue Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung des Versicherungsnehmers entspricht. Im vorliegenden Fall wurde die Verweisung als unzulässig erachtet, da die neue Tätigkeit nicht mit der bisherigen Lebensstellung des Klägers als Berufssoldat vergleichbar war.

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Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-20 U 187/15 – Beschluss vom 18.12.2015


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

→ Lesen Sie hier den vollständigen Urteilstext…

 

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und es erfordert auch nicht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung des Berufungsgerichts.

I.

Der als Berufssoldat wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung anerkannt berufsunfähige Kläger nimmt die Beklagte auf (weitere) Berufsunfähigkeitsleistungen in Anspruch. Diese hatte die seit 2005 erbrachten Rentenzahlungen wegen Verweisung des Klägers auf seine nach einem Germanistikstudium im Jahr 2013 aufgenommene zeitlich befristete Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Fachhochschule eingestellt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die von der Beklagten geltend gemachte konkrete Verweisung scheitere daran, dass die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter schon wegen ihrer Befristung auf zwei Jahre nicht der versicherten Lebensstellung des Klägers entspreche. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben dürfe der Versicherer nach seinem Anerkenntnis freiwillig neu erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten des Versicherungsnehmers nur dann berücksichtigen, wenn diese zu einer Festanstellung geführt hätten. Insoweit sei ein befristetes Arbeitsverhältnis wie das des Klägers mit einem Schonarbeitsplatz gerade nicht vergleichbar.

Im Übrigen sei die Berücksichtigung neu erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten nach den vereinbarten Bedingungen auch deshalb zweifelhaft, weil sie nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 EBP 801 gerade nicht vorgesehen sei. Nach dem Stichtagsprinzip sei auch für die konkrete Verweisung vielmehr allein auf den Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit abzustellen.

Gegen diese Urteil wendet sich die Berufung der Beklagten. Sie hält daran fest, dass die Befristung der neu aufgenommenen Tätigkeit der Verweisung nicht entgegenstehe, weil das Arbeitsmarktrisiko gerade nicht versichert sei. Deshalb sei auch eine Verweisung auf einen Schonarbeitsplatz zulässig. Maßgeblich sei, ob die neue Tätigkeit die Lebensstellung des Versicherungsnehmers präge, was schon nach etwa sechs Monaten anzunehmen sei. Für die Verweisung dürften dann auch nach Eintritt der Berufsunfähigkeit erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten berücksichtigt werden.

Die Beklagte beantragt daher, das Endurteil des Landgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.

Die Beklagte ist aufgrund des von ihr erklärten Anerkenntnisses weiter verpflichtet, dem Kläger die vertraglich zugesagten Berufsunfähigkeitsleistungen zu gewähren. Sie ist nicht gem. § 33 Abs. 4 EBP 801 zur Einstellung ihrer Leistungen berechtigt, weil die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht weggefallen ist.

Die Berufsunfähigkeit ist insbesondere nicht deshalb entfallen, weil der Kläger eine andere Tätigkeit iSd § 15 Abs. 1 EBP 801 ausübt, die er aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausüben kann und die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht.

Dabei kann offen bleiben, inwieweit die erst nach Eintritt der Berufsunfähigkeit infolge des Germanistik-Studiums vom Kläger erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten bei der nachträglichen Prüfung einer konkreten Verweisung gem. § 33 Abs. 1 EBP 801 Berücksichtigung finden dürfen.

Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass die vom Kläger aufgenommene halbschichtige und auf zwei Jahre befristete Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Fachhochschule der bisherigen Lebensstellung des Klägers als Berufssoldat entspricht. Der bloße Vergleich der Einkommenslage genügt für die Feststellung einer vergleichbaren Lebensstellung nicht. Zwar dient die Berufsunfähigkeitsversicherung dazu, den durch die in gesunden Tagen durch die berufliche Tätigkeit geschaffenen wirtschaftlichen und sozialen Status des Versicherten vor schicksalhaften Veränderungen seiner physischen und psychischen Konstitution abzusichern. Dieser Status wird maßgeblich auch durch das beruflich erzielte Einkommen geprägt, weshalb die Zulässigkeit einer Verweisung ganz entscheidend davon abhängt, inwieweit der materielle Ertrag der neuen Tätigkeit den vorherigen Einkommensverhältnissen entspricht (vgl. Beckmann/Matusche-Beckmann/Rixecker, Versicherungsrechtshandbuch, 3. Aufl. 2015, § 46, Rn. 106).

Dies bedeutet aber nicht, dass im Umkehrschluss eine Verweisung immer schon dann zulässig ist, wenn der Versicherungsnehmer mit der neuen Tätigkeit ein vergleichbares oder sogar höheres Einkommen erzielt als im versicherten Beruf.

Der soziale Status ist neben dem Einkommen maßgeblich auch vom gesellschaftlichen Ansehen der Tätigkeit sowie von den konkreten Bedingungen der Berufsausübung geprägt (Beckmann/Matusche-Beckmann/Rixecker aaO). Die Verweisung setzt damit voraus, dass die neue Tätigkeit weder hinsichtlich ihrer Vergütung noch in ihrer Wertschätzung spürbar unter das Niveau des bislang ausgeübten Berufes sinkt und wie die Bedingungen selbst sagen, der „Lebensstellung“ der alten entspricht (Prölss/Martin/Lücke, VVG 29. Aufl. 2015, § 172, Rn. 84).

Gemessen daran ist die vom Kläger ausgeübte zeitlich befristete Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter einer Fachhochschule mit der Tätigkeit als Berufssoldat nicht vergleichbar.

Zu Recht hat das Landgericht maßgeblich auf die Befristung der Tätigkeit des Klägers abgestellt.

Es kann offenbleiben, ob die Befristung eines Arbeitsverhältnisses als solche einer konkreten Verweisung entgegen steht.

Hier beruht die Befristung des Anstellungsverhältnisses indes nicht entscheidend auf Arbeitsmarktrisiken, sondern darauf, dass wissenschaftliche Mitarbeiter an Universitäten und Fachhochschulen typischerweise nur vorübergehend – während oder im Anschluss an ihr Studium – beschäftigt werden. Mit einer solchen Tätigkeit, die von vornherein nicht auf die Übernahme in eine Festanstellung ausgerichtet ist, kann der Betroffene keine Lebensstellung erlangen, die der eines unbefristet in den Dienst übernommenen Berufssoldaten vergleichbar ist. Schon deshalb greift die Verweisung nicht.

Hinzu kommt, dass die Tätigkeit eines wissenschaftlichen Mitarbeiters auf reine Hilfstätigkeiten ausgerichtet ist und nur in begrenztem Rahmen (wie etwa bei dem vom Kläger betreuten Projekt) Raum für eine selbständige und eigenverantwortliche Berufsausübung bietet. In der gesellschaftlichen Wahrnehmung ist die Tätigkeit eines wissenschaftlichen Mitarbeiters dadurch geprägt, einer übergeordneten Institution (Professor, Institut, Forschungsstelle) zuzuarbeiten. Auch wenn dies regelmäßig mit dem Ziel einer weiteren beruflichen Qualifikation erfolgt, bietet die Anstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter selber keinerlei berufliche Weiterentwicklungs- oder gar Aufstiegsmöglichkeiten.

Dass die Tätigkeit als Berufssoldat, zumal im Rahmen von Auslandseinsätzen, ganz andere berufliche Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten bietet, ist allgemein bekannt. Die Beklagte legt auch nicht dar, inwieweit die Übernahme einer – wenn auch akademischen – Hilfstätigkeit mit dem Status vergleichbar sein sollte, den der Kläger als Berufssoldat erlangt hatte.

In diesem Zusammenhang weist vielmehr der Kläger zu Recht darauf hin, dass seine frühere Tätigkeit als Berufssoldat mit Auslandseinsätzen vom faktischen Tätigkeitsbild her mit der halbschichtigen Betreuung eines E-Journals im Home-Office nicht im Ansatz vergleichbar ist. Ein solch überschaubarer Aufgabenkreis vermittelt offenbar nicht eine Lebensstellung, die der eines Vollzeit-Berufssoldaten vergleichbar ist.

Vor diesem Hintergrund kommt eine konkrete Verweisung des Klägers auf die von ihm befristet übernommene Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter nicht in Betracht.

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

III.

Auf die Gebührenreduktion im Falle einer Berufungsrücknahme wird hingewiesen (KV-Nr. 1222).

 


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